CONSULAQUA Beratungsgesellschaft mbH | 20095 Hamburg
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CONSULAQUA Beratungsgesellschaft mbH | 20095 Hamburg
Morgens, wenn ich mit dem Fahrrad durch den Regen die Altstadt von Lübeck umfahre – Kopf voller Fragen, Gummistiefel voller Erwartung –, dann frage ich mich: Haben wir als Geowissenschaftler hier eigentlich das große Los gezogen? Oder ist Lübeck bloß eine Randnotiz auf der Landkarte der Fachrichtungen, eingeklemmt irgendwo zwischen Backsteinromantik, maritimem Klima und Wissenschaft im Windschatten der alten Hansestadt?
Eins gleich zu Beginn: Der Beruf Geowissenschaftler – gerne übersehen unter den sprichwörtlichen Generalisten der Naturwissenschaften – ist in Lübeck tatsächlich facettenreicher als gemeinhin angenommen. Hier mischt sich das für die Region so typische Wasser-Land-Verhältnis direkt in den Berufsalltag ein. Ob im Küstenschutz, in der Grundwasseranalyse oder bei der Altlastenbewertung städtischer Entwicklungsflächen – vieles dreht sich plötzlich, ganz wortwörtlich, um Verschiebungen: von Sand, von Gestein, von Grenzen zwischen Machbarkeit und Risiko.
Was viele unterschätzen: Der Alltag eines Geowissenschaftlers in Lübeck folgt keinem klassischen Stundenplan. Mal stehst du mit Messgerät am Rand einer aufgebrochenen Straße, das Grundwasser auf Schadstoffe prüfend – gerade in einer Stadt, deren Untergrund zu zwei Dritteln aus Kiesen, Sanden und alten Sedimentschichten besteht. Das nächste Mal sitzt du in einem stickigen Sitzungsraum, zerbrichst dir gemeinsam mit Bauherren und Behördenvertretern den Kopf über die Tragfähigkeit des Bodens für einen neuen Schulkomplex, der vielleicht eine Geschichte von Torflinsen und ehemaligen Feuchtgebieten erzählen könnte. Und dann sind da noch die Küsten – ewiges Ringen mit der Ostsee, Sturmfluten, Erosion. Hört sich alles nach Abenteuer an, ich weiß. Aber zur Wahrheit gehört auch: Es ist oft ein langwieriges Geschäft. Nachts schläft die Geologie, Klischee – am Schreibtisch stapelt sich das Papier trotzdem.
Stichwort Altlasten. Lübeck klebt an seiner Geschichte wie Wasser an Lehm. Alte Tankstellen, einstige Industriebrachen: Vieles, was heute nach liebenswerter Gründerzeit aussieht, erzählt unter der Oberfläche eine ganz andere, manchmal toxische Geschichte. Genau da kommen Geowissenschaftler zum Zug. Die Nachfrage nach Experten, die nicht nur Sediment bohren, sondern auch rechtliche und technische Risiken abwägen können, ist gestiegen – sagen jedenfalls meine Kollegen. Was in anderen Städten wie Standard wirkt, entfaltet in Lübeck eine eigentümliche Dynamik. Ein Beispiel: Während in Süddeutschland die Geothermie gerade brennt, ist es hier die Verunreinigung durch historische Hafenanlagen, die den Puls in die Höhe treibt.
Schauen wir aufs Geld. Viele gehen naiv ins Feld, erwarten nach fünf Jahren Studium den schnellen Aufstieg, gerne auch das Gehalt von 3.200 € aufwärts. In Lübeck rechnet man allerdings vorsichtiger – und realisiert recht zügig: Der Einstieg liegt meist im Bereich von 2.800 € bis 3.100 €, je nach Spezialisierung und Arbeitgeber. Stadtverwaltungen, Ingenieurbüros, Umweltämter – die Verteilung ist übersichtlich, aber durch die Nähe zu Hamburg ergibt sich hin und wieder auch ein Sprung in größere Projekte, die schonmal mehr einbringen. Trotzdem, die goldenen Berge sind anderswo. Was bleibt? Idealismus, Neugier – und ein gewisser Dickschädel, wenn’s um den langen Atem geht. Niemand nimmt dich an die Hand. Aber, kleine persönliche Zwischenbemerkung: Ist manchmal befreiend, weil viele Projekte individuell angepackt werden. Wer klar kommuniziert und bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, stößt selten auf geschlossene Türen.
Womit wir bei der Technik wären: Digitales Arbeiten ist längst Standard, aber niemand sollte glauben, dass Software und Drohnenmessungen die Unterschrift auf Gutachten ersetzen. Erfahrung zählt. Wer als Berufseinsteiger den Spagat schafft zwischen Datenanalyse, historischem Fachwissen (Altlastenkarte Lübeck – ein Mysterium für sich!) und kommunikativer Diplomatie, ist schon mal gut aufgestellt. Die Wirtschaft fragt zunehmend nach Experten für nachhaltiges Flächenmanagement – kein Wunder, angesichts steigender Bauflächenpreise. Ach, und einen halb-ironischen Rat noch: Wer in Lübeck zu lange beim Kaffee im Rathaus festsitzt, verpasst die eigentlichen Entwicklungen häufig vor Ort, im Matsch, auf der Baustelle oder beim Gespräch mit Einheimischen. Manchmal reicht ein halbes Ohr und ein bisschen Erdreich zwischen den Fingern, um den Unterschied zu machen.
Lübeck ist für Geowissenschaftler ein guter Kompromiss: genug Herausforderungen, um auf Trab zu bleiben, genug Bodenständigkeit, um täglich geerdet zu werden. Karriereglamour gibt’s selten – aber eine Region, in der sich wissenschaftliche Neugier und lokaler Pragmatismus zu einer überaus eigenwilligen Mischung verbinden. Man muss es mögen. Oder eben lernen, es zu mögen. Aber ehrlich, wer hier bestehen will, wird am Ende mit Sichtachsen belohnt, die andere Städte so einfach nicht bieten – wortwörtlich und im übertragenen Sinn.
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