Reiseverkehrskaufmann Jobs und Stellenangebote in Kiel
Beruf Reiseverkehrskaufmann in Kiel
Entzaubert und doch unterschätzt: Der Alltag als Reiseverkehrskaufmann in Kiel
Reiseverkehrskaufmann – klingt immer noch nach glamourösem Jetset, nach Traumstränden und Palmen im Arbeitsvertrag. Wer allerdings in Kiel, Norddeutschlands Tor zur Ostsee, in dieses Berufsbild hineinschnuppert oder tiefer einsteigt, merkt rasch: Vieles ist ein Spagat zwischen Sehnsucht und System. Und: Es ist ein Handwerk, das sich gewandelt hat – teils unbemerkt, mit überraschender Widerstandskraft, aber auch mit Schattenseiten, die man nicht schönreden sollte.
Zwischen Beratungskunst und digitaler Routine: Die eigentlichen Kernaufgaben
Die Romantik der Reisebranche ist in Kiel natürlich lebendig, gar keine Frage – Tagestouristen, Skandinavienfahrer am Norwegenkai, Kreuzfahrtsaison aufblühen sehen. Doch 80 Prozent der Arbeitszeit (und ehrlich, gefühlt ist es manchmal mehr) verbringt man mit etwas anderem als Postkartenauswahl. Es geht um Beratung. Präziser: Es geht um das Begleiten der Kundschaft durch einen Dschungel aus Tarifen, Reisebestimmungen, Versicherungen und, na klar, Stornoregeln – kein Feierabend ohne zumindest einen komplizierten Rücktrittsfall am Tag. Hat man sich da einen Knoten ins Hirn gedacht, versteht man spätestens nach einem halben Jahr, warum Kolleginnen und Kollegen über „die gute alte Zeit“ sprechen, als noch mehr Handschlag und weniger Preisvergleich den Ton angaben.
Und dann ist da die Technik: Mit Buchungsportalen, CRM-Systemen und Tarifdatenbanken arbeiten zu müssen, ist in Kiel genauso Standard wie in Berlin oder München. Wer als Einsteiger aus Kiel kommt, sollte übrigens nicht die eigene Technikaffinität unterschätzen – es rettet einem gelegentlich den Arbeitstag, wenn man schneller als das Betriebsnetzwerk ist.
Gehalt und Realität: Wer verdient warum wie viel?
Reden wir Klartext – in Kiel wird niemand im Reisebüro reich. Einstiegsgehälter liegen aktuell meist zwischen 2.300 € und 2.700 €. Fachkräfte mit mehrjähriger Erfahrung und Zusatzqualifikationen schaffen durchaus 2.800 € bis 3.200 €. Und: Wer sich mit Gruppenreisen, Geschäftsreisemanagement oder sogar Kreuzfahrtbuchungen für internationale Anbieter befasst, darf vereinzelt mehr erwarten, auch wegen der Provisionen. Aber das Grundrauschen bleibt: Anspruch und Verdienst laufen nicht immer synchron.
Wäre das alles? Keineswegs. Denn regionale Arbeitgeber – von Traditionsunternehmen wie Norddeutsche Reisebüros bis zu kleinen, eigensinnigen Familienagenturen im Kieler Umland – locken punktuell mit Sozialleistungen: sechs Wochen Urlaub, freiwillige Zuschläge für Sonntagsberatung, manche bieten Mobilitätszuschüsse. Das ist, was man dick im Kalender markieren sollte. Aber keine Illusionen – der Preisdruck durch Onlineportale ist spürbar, und das spiegelt sich, wie fast überall, in Gehaltsverhandlungen.
Veränderungen, die niemand ganz voraussagt: Technik, Gesellschaft und die große Frage nach der Relevanz
Junge Kaufleute wundern sich anfangs oft: Wer kommt heutzutage überhaupt noch ins Reisebüro? Aber Kiel ist eben nicht Frankfurt oder Hamburg. Hier haben persönliche Beratung und regionale Expertise noch Wert. Ich habe oft erlebt, wie Kreuzfahrerfamilien oder ältere Stammkunden nach offenen Ohren suchen, weil sie dem Internet nicht trauen. Das ist Potenzial, kein Witz. Mit wachsender Bedeutung von Nachhaltigkeit und individuellem Reiseerlebnis (Stichwort „sanfter Tourismus“) wächst der Beratungsbedarf weiter, und die, die sich auf bestimmte Zielgruppen spezialisieren – Radurlauber, Segler, Gruppenreisen nach Skandinavien –, sind klar im Vorteil.
Gleichzeitig brodelt es unter der Oberfläche. Künstliche Intelligenz und automatisierte Buchungssysteme machen sich langsam breit, bescheren neue Arbeitsroutinen. Das klingt nach fataler Disruption, ist aber – in meinem Alltag jedenfalls – oft nur ein weiteres Tool. Die, die sich fortbilden und digitale Kompetenzen im Betrieb einsetzen, werden gebraucht. Wer dagegen auf „das haben wir immer so gemacht“ setzt, gerät ins Hintertreffen. Unbequem, aber wahr.
Weiterbildung nicht als Kür, sondern als Überlebenskunst
Kiel ist, was Fortbildungsmöglichkeiten betrifft, angenehm pragmatisch. Es gibt lokale Angebote, die regelmäßig aktuelle Trends – etwa nachhaltiges Reisen, EU-Passagierrechte oder skandinavische Spezialreisen – ins Rampenlicht rücken. Erstaunlich viele Kollegen nehmen daran teil, auch wenn es nach Arbeit klingt (und es am Ende irgendwie auch ist). Wer weiterkommen will, macht das nicht aus Langweile, sondern weil er oder sie weiß: Die Branche verzeiht Stillstand selten.
Fazit? Reicht das für ein ganzes Berufsleben? Vielleicht nicht für jeden. Aber unterschätzen sollte man diesen Beruf – gerade hier im Norden – ganz bestimmt nicht. Er ist Handwerk, Technik, Menschenkenntnis. Und manchmal: auch ein Stück Fernweh, das man anderen verkauft und sich selbst ein wenig bewahrt.