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Wer heute in Stuttgart als Musiklehrerin oder Musiklehrer durchstartet – egal, ob Neueinsteiger, Umsteiger oder alteingesessene Musikpädagogin im Geiste – findet sich in einem durchaus vielschichtigen Berufsfeld wieder. Über den sprichwörtlichen Klangteppich hinaus offenbart sich eine Szenerie, die in ihrer Komplexität so manchen Taktwechsel erfordert. Ich weiß noch, wie ich zu Beginn aus voller Überzeugung dachte: Hauptsache Leidenschaft, der Rest ergibt sich. Weit gefehlt – oder vielmehr: nur die halbe Wahrheit.
Stuttgart atmet Musikgeschichte – spätestens seit den Zeiten, als Swabian Folk im Wechselbad mit Oper und Kammermusik die Stadt geprägt hat. Heute klingt der Kanon deutlich vielfältiger. Ob Musikschule, allgemeinbildende Schulen, private Akademien oder der Sprung in die Selbstständigkeit: Das Spektrum der Einsatzorte ist so bunt wie die Fassaden am Marienplatz. Der große Vorteil: Die Region investiert vergleichsweise stark in kulturelle Bildung. Der Haken? Wer glaubt, das sichere Festanstellungsverhältnis fiele einem einfach so in den Schoß, dürfte schnell auf dem Boden der Praxis landen. Häufig überwiegen Honorarverträge, Mischmodelle, projektbezogene Angebote – mit all den damit verbundenen Unsicherheiten. Schön, wenn man flexibel ist. Manchmal auch ein Tanz auf dünnem Eis.
Wer Musiklehrer werden will, braucht neben methodischer Finesse vor allem eins: Anpassungsfähigkeit. In den Klassenzimmern Stuttgarts begegnet einem eine kulturelle Breite, die sich nur selten in Lehrbüchern abbilden lässt. Da sitzt im einen Moment der Viertklässler mit serbischen Wurzeln vor einem, im nächsten die Gymnasiastin, die Jazz-Piano studieren will, und wenig später ein Rentner, der endlich Saxophon lernen möchte. Da hilft keine Schablone. Vielmehr ist es die Fähigkeit, im richtigen Moment pädagogisch zu improvisieren – auch wenn die Schulpolitik gerade wieder mal eine neue Richtung vorgibt oder das Digitalpult an der Musikschule zum unerwarteten Endgegner wird.
Was viele unterschätzen: Der digitale Wandel spaltet die Musiklehrerschaft in Stuttgart – nicht immer leise. Während die einen in Zoom-Unterricht und Musik-Apps kreative Werkzeuge erkennen, empfinden andere die Neuerungen eher als Störgeräusch im Tagesgeschäft. Klar, Corona hat alles beschleunigt. Plötzlich werden Noten via Tablet geteilt, das Klassenzimmer ist ein Bluetooth-Lautsprecher. Nett – aber auch: technisch aufwendig, manchmal nervenaufreibend. Und: Es gelingt längst nicht jedem, die Begeisterung für Musik digital zu entfachen. Ich sage immer: Technik kann das Ohr nicht ersetzen, aber sie eröffnet im besten Fall neue Lernwege. Die Wahrheit liegt, wie so oft, irgendwo dazwischen.
Ein Dauerbrenner, leider: das liebe Geld. Gerade in Stuttgart – mit seinen Mieten, Lebenshaltungskosten und leicht ironisch verstandenen Schwabenklischees. Von 2.800 € bis 3.400 € monatlich ist als Einstiegsgehalt in öffentlichen Institutionen alles möglich, wobei Honorarlehrkräfte meist niedriger kalkulieren (und schwanken wie die Taktzahl im Free Jazz). Mit Gymnasialabschluss, Zweitfach und langem Atem kann es auch mal über 4.000 € gehen. Klingt ordentlich – bleibt aber angesichts privater Fortbildungen, Instrumentenanschaffungen und eventueller Fahrtwege zumindest relativ. Was bleibt? Die Frage nach der Wertschätzung. Die Schüler jubeln, das Kollegium erkennt es oft an – die Politik, sagen wir, arbeitet daran.
Was die wenigsten auf dem Schirm haben: Die Szene bietet, bei aller Unsicherheit, durchaus Chancen. Regelmäßige Fortbildungen – sei es im Bereich Digitalisierung, Ensembleleitung oder musiktherapeutischer Arbeit – sind heute eigentlich Standard. Stuttgart bietet dazu ein solides Angebot an Kursen und Coachings, öffentliche wie private Träger bauen hier aus. Wer sich spezialisiert, neue Stilrichtungen erobert oder gar Kooperationen mit Schulen oder Kultureinrichtungen entwickelt, hat beste Karten. Nur Mut zum Umweg! Ohne ständigen Stillstand bleibt man in der Musiklehrerei selten lang am gleichen Fleck – und das ist, manchmal, auch ganz gut so. Vielleicht.
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