Schloss Gaienhofen - Evangelische Schule am Bodensee | 78343 Gaienhofen
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Schloss Gaienhofen - Evangelische Schule am Bodensee | 78343 Gaienhofen
Ein Beruf, der nach außen noch immer den feinen Geruch von Kreide, Flügeln und ambitionierter Pädagogik verströmt – Musiklehrer in Freiburg im Breisgau. Für Menschen, die an diesem Punkt entweder erstmals auf ein Klassenzimmer oder einen Probenraum zulaufen oder ihre Erfahrungen aus anderen Städten nach Freiburg tragen möchten, lohnt es sich genauer hinzusehen: Was macht den Beruf in dieser Stadt so speziell? Welche Fallstricke bleiben im Schatten der ehrwürdigen Musikhochschule oder der kleinen privaten Musikschulen? Und was hat sich in jüngster Zeit eigentlich wirklich verändert?
Nur wer selbst einmal im stickigen Kellergeschoß einer Musikschule mit Jugendlichen an der Intonation gefeilt hat, weiß, dass dieser Beruf wenig mit den Klischees aus Musikfilmen zu tun hat. Wer in Freiburg Musik unterrichtet, landet in einem teils bröckelnden, teils glänzenden System: Da sitzen lautlose Blockflötenschülerinnen neben sprühenden Talentbündeln, da wechseln die Spielorte vom Konzertsaal der Musikhochschule zu multiplen Bezirkszentren in der Umgebung.
Die Anforderungen? Frappierend heterogen. In vielen Fällen wird Mehrgleisigkeit verlangt: Unterricht am Instrument, Musiktheorie, Ensembleleitung, manchmal Community-Projekte, Digitalisierung. Wer „nur“ Violine spielt oder Chöre leitet, dürfte es heute schwerer haben als zu Zeiten, als noch jeder Bach-Choral eine kleine Sensation war. Manchmal schwankt man – ist man Künstler, Sozialarbeiter, Animateur, Psychopädagoge oder alles zugleich?
Ein Satz aus der Praxis: „Sie können zwar Musik, aber können Sie auch Straßenbahnfahren zahlen?“ Die in Freiburg für Musiklehrende übliche Mischung aus Anstellungsverhältnis, Freiberuflichkeit und Honorarbasis erzeugt eine, sagen wir, fragile Existenz. Einstiegsgehälter an städtischen Schulen liegen meist zwischen 2.800 € und 3.400 €. Im Honorarbereich, besonders bei privaten Musikschulen, wird allerdings häufig pro Unterrichtseinheit abgerechnet. Rechnet man Ferien, Vorbereitungszeiten und Ausfallstunden gegen, wirkt das Ergebnis oft ernüchternd: Zwischen 25 € und 45 € je 45 Minuten lautet die Realität, und nicht selten fehlt die soziale Absicherung.
Freiburg selbst – das ist Fluch und Segen. Die hohe Lebensqualität, ein südbadisches Selbstverständnis zwischen Bächle und Ökostrom, lockt viele Kreative an. Das treibt die Miete nach oben und setzt zusätzliche Konkurrenz in Gang, etwa durch Absolventen der örtlichen Musikhochschule, die in Scharen bleiben oder zurückkehren. „Luxussorgen“? Nein – aber ein echter Faktor.
Wer glaubt, der Beruf des Musiklehrers bliebe ein Hort der Analogkultur, irrt. Gerade in Freiburg, wo sowohl die Hochschule als auch innovative Musikschulen digitale Tools testweise in die Lehre holen, sind Kompetenzen jenseits von Takt und Ton gefragt. Hybridunterricht, online Chorproben, Apps zur Gehörbildung – was vor Corona belächelt wurde, gehört jetzt vielerorts zum Alltag. Lust zum Experimentieren ist gewünscht, ja verlangt. Ein digitales Whiteboard kann heute genauso karriereentscheidend sein wie die Frage, ob man einen Vierklang erklären kann, ohne 20 Minuten Ausflug in die Barockmusikgeschichte.
Man stolpert in Freiburg – bildlich gesprochen – schon mal über die eigene Ideale. Die Integration geflüchteter Kinder, Kooperationen mit Schulen aller Couleur, Integration von Inklusionskonzepten: Wer wissen will, was pädagogische Vielseitigkeit bedeutet, findet in Freiburg ein reiches Lernfeld. Gleichzeitig stehen nicht nur die etablierten Musikvereine unter Druck, sondern auch die kleinen freien Musikräume, in denen mit Herz und nur wenig Budget experimentiert wird.
Was viele unterschätzen: Musiklehren ist hier ein Spagat zwischen anspruchsvollem Unterricht und sozialer Verantwortung in einer Stadt, die ihren Bürgern kulturelle Teilhabe abverlangt – aber nicht immer ausreichend honoriert. Wer flexible Arbeitsmodelle, pädagogische Fantasie und Durchhaltevermögen mitbringt, kann allerdings erleben, wie Musik Unterricht und Leben tatsächlich prägt.
Muss ich das wirklich alles können, fragen sich viele. Nein – aber es hilft. Wer den Blick für künstlerische Substanz, soziale Realitäten und regionale Besonderheiten nicht verliert, findet hier Chancen. „Schubladen gibt es viele“, denke ich mir oft beim Blick über den Schloßberg, „aber am Ende zählt nur, wie viel Musik draußen im Leben ankommt.“ Ob man dabei gerade ein Musiktheorieheft erklärt oder an der Straßenbahnhaltestelle den nächsten Schülern entgegenfiebert: Die Musik ist hier selten reine Lehrbuchangelegenheit – und das macht diesen Beruf in Freiburg vielleicht härter, aber eben auch lohnender als anderswo. Und wenn die Türen am Nachmittag wieder leise ins Schloss fallen, weiß man zumindest eines ganz sicher: Kein Tag wie der andere.
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