Aramaz Digital | 06886 Lutherstadt Wittenberg
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Manchmal habe ich den Eindruck, in Dessau-Roßlau erwischt es einen im Alltag schneller als anderswo: Da sitzt man zwischen Bauhaus-Geschichte und den endlosen Auen und denkt, Musikunterricht – das bringt nur singende Kinder und Trompetenproben. Weit gefehlt. Der Beruf des Musiklehrers hier verlangt einen Spagat: Vermittler, Pädagoge, manchmal Pädagogik-Künstler, oft Allrounder und nicht zuletzt: Mensch mit einer ziemlich langen Leitung – im besten Sinne. Wer frisch dabei ist oder einen Wechsel erwägt, spürt das rasch.
Was viele unterschätzen: Musiklehrer zu sein, bedeutet mehr als Notenwerte und Rhythmen weiterzugeben. In Dessau-Roßlau verschieben sich die Koordinaten leicht, weil Stadtgeschichte, regionale Schulpolitik und das kulturelle Umfeld die Arbeit subtil prägen. Man landet nicht selten im Spannungsfeld zwischen klassischer Musiktradition – Hallo, Kurt Weill! – und moderner Bildungslandschaft. Die Klassen sind mal zu groß, mal zu klein, selten optimal gemischt. Manchmal kommt einem ein Stundenplan vor wie ein schlecht komponiertes Stück: Taktunebenheiten, abwegige Akzente, Improvisation quasi Pflicht.
Die Region bietet überraschend stabile Stellen, vor allem im öffentlichen Schuldienst, an Musikschulen oder als Honorarkraft. Aber der Konkurrenzdruck ist vorhanden – und die Arbeitsbedingungen schwanken je nach Schultyp, Trägermodell und Budgetlage. Wer in das klassische Lehramt einsteigt, hat eine solide Absicherung, Einstiegsgehälter bewegen sich – ganz ohne Schnickschnack – meist zwischen 3.200 € und 3.900 €, je nach Ausbildungsstand (und je nachdem, wie viele zusätzliche Aufgaben man sich aufhalsen lässt – davon gibt es reichlich). Als Honorarkraft sieht die Welt freier, manchmal aufregender, aber ebenfalls ziemlich schwankend aus: Wer viele Schüler hat, verdient durchaus passabel; bei schwankender Auslastung kann es aber schnell eng werden, da liegen Honorarsätze im Bereich zwischen 18 € und 30 € pro Unterrichtsstunde.
Was in Dessau-Roßlau auffällt: Die musikalische Infrastruktur ist zwar überschaubar, aber facettenreich. Es gibt Spezialisten für alles Mögliche – Blockflöte, Fagott oder Musiktheorie –, aber oft sind Quereinsteiger gern gesehen, etwa, wenn die Blechbläsergruppe ein neues Gesicht braucht. Hier leben Musikpädagogen nicht allein im Elfenbeinturm – Zusammenarbeit mit Theatern, Kulturvereinen, Jugendzentren und sogar Sozialprojekten ist eher Regel als Ausnahme. Manchmal, zugegeben, fühlt man sich wie das Schweizer Taschenmesser der lokalen Bildungslandschaft.
Wer als Berufseinsteiger aus dem frischen Semester stolpert (und wer war da nicht mal?), stellt sofort fest: Hier weht oft ein rauer Wind. Klassische Musikausbildung trifft in Dessau-Roßlau auf eine Schülerschaft, deren Musikgeschmack mit Richard Wagner in etwa so viel gemein hat wie das Bauhaus mit barocker Stuckpracht. Das verlangt Offenheit, Flexibilität – manchmal Nerven wie Drahtseile.
Der Schwall digitaler Neuerungen rollt auch über die Musiklehrerschaft hinweg. Wer heute noch glaubt, dass Notenblätter und Kreide genügen, ist schnell auf verlorenem Posten. Seit der Pandemie hat sich einiges verschoben: Online-Unterricht, Apps fürs Smartphone, digitale Kompositionswerkzeuge. Wer die Technik beherrscht, ist klar im Vorteil. Aber auch das soziale Umfeld braucht Aufmerksamkeit: Hier kommen Kinder aus sehr unterschiedlichen Milieus. Nicht jeder kann sich ein teures Unterrichtsinstrument oder regelmäßige Proben leisten. Wer vermitteln will, braucht Einfühlungsvermögen und Pragmatismus – Skills, die man übrigens nicht an der Musikhochschule lernt, sondern hier, direkt im Alltag.
Lieber nicht in den Himmel heben, aber auch nicht kleinreden: Der Beruf hat in Dessau-Roßlau seinen Reiz – gerade, weil er unbequem ist. Wer mit dem Gedanken spielt, hier als Musiklehrer zu arbeiten, sollte mehr erwarten als Taktstriche und Primavista-Sicherheit. Es ist ein Beruf, der Haltung verlangt, Geduld, und manchmal den Mut, einfach zu improvisieren. Aber Hand aufs Herz – wer darauf Lust hat, findet in Dessau-Roßlau nicht nur Herausforderungen, sondern auch eine selten gewordene Freiheit zu gestalten, zu prägen, manchmal sogar zu überraschen. Und wenn der Tag besonders anstrengend war? Dann hilft oft eines: ein langer Blick über die Elbwiesen – und eine Melodie, die einfach bleibt.
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