L.i.Ma. e.V. | 10115 Berlin
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L.i.Ma. e.V. | 10115 Berlin
Wer sich als Musiklehrer in Berlin – nun ja, sagen wir: hineinfuchst – merkt ziemlich schnell, dass es hier um so viel mehr geht als das schlichte Abfragen von Tonleitern. Schon der erste Tag im Klassenraum, vielfach noch hallig vom letzten Luftzug, kann Überraschungen bergen, mit denen kein Übungsbuch je rechnet: Da sieht man sich, mitten im Berliner Großstadtdschungel, umgeben von Kindern mit Lieblingssongs aus drei Dutzend Herkunftsländern, Jugendlichen mit Kopfhörern für Lo-Fi-Beats und Trompetenkäuzen, die Jazz für ihre Religion halten. Willkommen in einer Berufswelt mit mehr Möglichkeiten – und Hemmnissen – als in einer Partitur voller Triller.
Es klingt fast nach Klischee, ist aber bittere Wahrheit: Wer in Berlin Musik unterrichtet, muss Tasten, Saiten und Nerven gleichermaßen stimmen können. Von Singschulen in Marzahn bis zu Gymnasien am Prenzlauer Berg – überall begegnet man individuellen Erwartungen und unterschiedlichen Lernvoraussetzungen. Die Aufgaben reichen dabei von Grundlagenvermittlung im Klassenverband bis zu anspruchsvollen Ensembleprojekten, manchmal sogar zum Management von Technikausstattung, die irgendwo zwischen Weltkriegserbe und digitalem Neuland rangiert. Wer Notistik nur als „Papier“ versteht, liegt daneben – die digitale Musikdidaktik drängt nach vorne. Und während einerseits ein Tablet immerhin den Transport von Notenständern ersetzt, fragt sich mancher, ob der eigentliche Ton nicht doch zwischen Menschen entsteht und nicht zwischen Apps. Ein ständiges Dazwischen.
„Was verdient man denn eigentlich so als Musiklehrer jetzt, ganz offen?“ – Die Frage wird selten in der Öffentlichkeit gestellt, schwebt aber über jedem Kaffeetisch im Lehrerzimmer. Das Einstiegsgehalt liegt – je nach Schulform, Beschäftigungsstatus und Abschluss – meist irgendwo zwischen 3.300 € und 4.200 €. Wer ein Referendariat durchlaufen und das volle Lehramtspaket im Gepäck hat, kann auch mit 4.800 € liebäugeln. Entscheidender als diese Zahlen – mein Eindruck jedenfalls – ist jedoch der Kontext: Berlin sucht händeringend nach qualifizierten Kräften. Gerade Sekundarschulen und Musikschulen haben Bedarf, während in den wohlhabenderen Bezirken der Konkurrenzdruck spürbar wächst. Hinzu kommt: Freiberufliche Musikpädagogen steuern ihre Honorare oft flexibel, was von 30 € pro Stunde aufwärts reicht – mitunter glänzend, vorausgesetzt, der Terminkalender bleibt nicht leer. Aber darauf verlassen? Berliner Realität ist sprunghafter, als es die Gehaltstabelle je abbilden könnte.
Berlin – ein Paradies für musikalische Vielfalt, gewiss. Aber nicht ohne Tücken. Kulturen, Generationen, Bildungsniveaus: alles trifft aufeinander, manchmal prallt es auch. Da braucht es Empathie, Durchsetzungsvermögen, einen Hang zum Improvisieren. Immer häufiger: die Integration digitaler Medien und neuer Unterrichtsmethoden. Manch erfahrener Kollege schüttelt darüber den Kopf („Lernsoftware? Ich setz’ lieber aufs echte Instrument …“), andere sehen darin die Zukunft – und die Wahrheit liegt, wie so oft, irgendwo dazwischen. Wer Einblicke in die Kulturszene sucht oder Projekte mit lokalen Künstlern anstoßen will, findet in Berlin zwar schnelle Wege und offene Türen. Aber wie tief man da vordringt, hängt vom eigenen Elan und Netzwerk ab. Ich habe erlebt: Die Grenzen zur freien Szene sind in Berlin durchlässig, aber nicht immer herzlich. Schnelle Erfolge? Eher nicht. Aber: Wer dranbleibt, kann Brücken bauen, und das ist manchmal erfüllender als alles andere.
Wer heute als Musiklehrer startet oder den Wechsel nach Berlin erwägt, merkt schnell: Weiterqualifizierung ist nicht nur Kür, sondern Pflicht. Workshops zu Musikproduktion oder interkultureller Pädagogik, Fortbildungen zu inklusivem Unterricht oder Methoden digitalen Komponierens – das Angebot wächst. Aber der Alltag ist oft schneller als die Fortbildung. Was viele unterschätzen: Die größte Ressource bleibt das eigene Bewusstsein für Wandel. Berliner Schulen (vor allem öffentliche) reagieren unterschiedlich offen auf neue Unterrichtskonzepte. Manchmal ist man mit seinen Ideen gefühlt ein Solist unter Statisten – doch schon ein kleiner Erfolg kann Wellen schlagen. Sehr konkret, anekdotisch: Ein Kollege erzählte mir, ihm sei einmal mit einem improvisierten Beatboxing-Projekt eine ganze 9. Klasse aus ihrer Musikmüdigkeit geworfen worden. Kein Lehrbuch hatte das vorgesehen.
Die Arbeit als Musiklehrer in Berlin ist eine Gratwanderung: Man schwankt zwischen Wunsch nach künstlerischer Freiheit und pädagogischem Pragmatismus, zwischen Tradition und Technik. Wer flexible Antennen und Lust auf Reibung hat, wird nicht enttäuscht. Und wenn an schlechten Tagen die Ukulele verstimmt bleibt – tja, das Leben in Berlin klingt eben manchmal wie ein Jazz-Solo: Vieles ist nicht planbar, aber Möglichkeiten bieten sich immer wieder. Mit offenen Ohren und ein bisschen Sturheit – oder nennen wir es lieber: Beharrlichkeit – lässt sich hier nicht nur unterrichten, sondern prägen.
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