BASF | Ludwigshafen am Rhein
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BASF SE | Ludwigshafen am Rhein
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Glas als Werkstoff – das klingt für viele nach Fensterputzen und zerbrechlichen Vasen im Wohnzimmerregal. Wer aber einmal in die Welt eines Glasapparatebauers eingetaucht ist, merkt schnell: Hier geht es um etwas völlig anderes. In Wiesbaden, wo Chemie, Pharma und Hightech gern mal unter einem Dach wohnen (manchmal buchstäblich, wenn man sich das Industriegebiet ansieht), steckt im Glasberuf eine fast archaische Handwerksseele – aber eben auch ein gutes Stück Zukunft. Ich wundere mich manchmal, warum diese Nische, bei aller filigranen Technik, nicht mehr Aufmerksamkeit bekommt.
Man arbeitet mit der nackten Flamme – ein Bild, das vermutlich wenig mit der Arbeit am Computer zu tun hat. Der Alltag eines Glasapparatebauers dreht sich um das Verformen, Trennen, Schleifen, Schweißen und Bearbeiten von Spezialglas: Reagenzgläser, Destillationskolben, Pipetten, aber auch hochkomplexe Unikate für Forschungslabore oder Medizintechnik. Es braucht Sorgfalt, keine Frage, aber vor allem ein Gefühl für Material und Temperatur – und Geduld, wenn das Glas doch mal springt. Gerade in einer Stadt wie Wiesbaden, wo Forschungseinrichtungen, Universitätskliniken und Labordienstleister seit Jahren wachsen, ist das Know-how gefragt wie eh und je. Und doch: Die Zahl derer, die diese Kunst wirklich beherrschen, ist übersichtlich.
Völlig falsch liegt, wer denkt, das Ganze sei irgendetwas „für Leute mit zwei linken Händen“. Fingerfertigkeit, technisches Verständnis, räumliches Vorstellungsvermögen – das sind die Schlüssel. Dazu kommt ein Faible für Präzision, ein bisschen Tüftler-Gen und meist die Lust, auch mal eigenwillige (manche sagen: verkopfte) Kundenwünsche umzusetzen. Manchmal steht man minutenlang mit angehaltenem Atem vor einer rotglühenden Glaskugel, jongliert mit Röhrchen und – zack! – Billardkugel groß, hauchdünn, Fehler null oder alles für den Müll. Kein Tag ohne Risiko, klingt dramatisch? Ist aber Alltag.
Wiesbaden ist nicht Hamburg, klar, aber als Standort für Labor- und Medizintechnik doch gewichtiger, als es viele erwarten. Die Auftragsbücher kleiner Werkstätten sind oft gut gefüllt; selbst Mittelständler im Rhein-Main-Gebiet greifen auf handverlesene Fachkräfte zurück. Stellen für Glasapparatebauer werden selten ausgeschrieben, weil das Gewerbe in der Region persönlicher tickt – oft kennt man „seine“ Leute. Für Berufseinsteiger, die in der Region Fuß fassen, bewegt sich das Einstiegsgehalt meist um 2.800 € bis 3.200 €. Wer Erfahrung und Zusatzzertifikate mitbringt, kann – insbesondere in Spezialbetrieben der Medizintechnik oder für Unikatfertigung – auch 3.400 € bis 3.800 € erwarten. Ich persönlich kenne niemanden, der im Glashandwerk Millionär geworden ist – aber die meisten hier arbeiten mit spürbarem Stolz und Selbstbewusstsein.
Wer länger dabei ist, weiß: Schraubenzieher und Flamme allein reichen nicht. Normungen, Reinraumtechnik, produktionsbegleitende Messtechnik – das sind alles Felder, die für Fortbildung und Spezialisierung offenstehen. Auch in Wiesbaden springen immer mehr Unternehmen auf den Nachhaltigkeitszug auf: Reparatur statt Neukauf, Kreislaufwirtschaft beim Glas – hier wächst ein Markt. Einige Betriebe investieren bereits in energiesparende Schweißtechnologie und digitale Fertigungsunterstützung. Angst vor Robotern? Noch nicht. Glas bleibt widerspenstig, maschinelles Blasen und individuelle Handarbeit gehen (noch) nicht Hand in Hand. Und der berühmte Wiesbaden-Faktor? Manchmal lohnt ein Blick über den Stadtgraben hinaus: Kooperationen mit Universitäten, Kontakte zur Industrie, gelegentlich ein Austauschprojekt Richtung Frankfurt oder Mainz. Die Glaszunft ist klein – aber man kennt sich.
Ob Einsteiger, alter Hase oder Umsteiger auf der Suche nach mehr haptischer Befriedigung im Arbeitsleben – in Wiesbaden wartet auf Glasapparatebauer ein Arbeitsfeld, das Technik, Kunst und Handwerk so eng verwebt, wie es heute nur noch selten vorkommt. Oft fragt man sich, ob das Handwerk im Schatten der digitalen Omnipräsenz verschwinden muss. Nach meinen Beobachtungen: Eher nicht. Zu eigen, zu fragil, zu viel Persönlichkeit steckt im Glas. Wer bereit ist, gelegentlich zu fluchen, zu tüfteln und dennoch nach fünf Jahren immer noch Respekt vor der Flamme zu haben – der wird hier glücklich. Oder zumindest selten gelangweilt.
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