Heinrich-Heine-Universität | 40213 Düsseldorf
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ACI Industriearmaturen GmbH | 52428 Jülich bei Aachen

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Viele schauen mich oft schief an, wenn ich sage: „Ich arbeite als Glasapparatebauer.“ Die meisten stellen sich vermutlich jemanden vor, der Reagenzgläser im Chemieunterricht über einer Kerzenflamme dreht. Aber weit gefehlt – und ganz ehrlich, so ein bisschen Bewunderung für das, was wir mit bloßen Händen und Bögen aus Glas leisten, täte der Zunft nicht schlecht. Vor allem in einer Stadt wie Oberhausen, die oft in Sachen Industrie auf ihre Vergangenheit als Stahlschmiede reduziert wird. Doch unter all dem alten Dampf liegt – ja, wirklich – eine feine, hochpräzise Handwerkswelt, die mit Werkzeugen zwischen Flamme, Feile und Laser am Zukunftstrend kratzt.
Die Arbeit am Glas – das ist nichts für Leute mit nervösen Händen oder Hang zum Weggucken. Glasapparatebauer fertigen Laborgläser, Spezialröhren, Messkolben oder komplexe Einzelteile für Forschung und Industrie. Hier stößt man auf Aufgaben, die irgendwo zwischen Handwerk und Hightech ihren Platz haben. Das beginnt bei klassischem Blasen und Drehen und reicht bis zu digitalen Temperaturkontrollen oder „fiesen“ CNC-Maschinen, die selbst dem erfahrensten Altmeister Respekt abnötigen. Kein Stück gleicht dem anderen – mal ist Präzision im Zehntelmillimeterbereich gefragt, mal improvisiert man eine Lösung, wenn ein Kolbenhals plötzlich spröde wird. Ehrlich gesagt: Manchmal frage ich mich, ob unser Beruf nicht eigentlich „Glasflüsterer“ heißen müsste.
Wer meint, Oberhausen sei für Glasapparatebauer ein schwieriges Pflaster, irrt. Klar, die Zahl der Betriebe bleibt überschaubar. Aber gerade diese Verknappung sorgt für einen gewissen Zusammenhalt – und teils überraschende Spezialisierungen. Einige Glasapparatebauer arbeiten im direkten Dienst von lokalen Industrien, Chemiewerken oder besitzen Kontakte zu Forschungsinstituten in Essen oder Düsseldorf. Andere bedienen manchmal erstaunlich kleine, aber feine Märkte: vom Einzelstück für die Wasseranalyse bis zum Serienteil für ein Energieprojekt in der Region. Die Arbeitsnachfrage kommt in Wellen; eigene Flexibilität und die Bereitschaft, Neues zu lernen (Lasertrenntechniken, 3D-Konstruktion, CAD? Ja, das gehört inzwischen dazu), wird immer öfter zum Eintrittsticket für die besseren Aufträge.
Das leidige Thema Geld: Das Einstiegsgehalt liegt in Oberhausen meist bei 2.700 € bis 2.900 €. Wer Erfahrung sammelt, filigrane Technik beherrscht und vielleicht eine Zusatzqualifikation im Bereich Fertigungstechnologie oder Qualitätssicherung aufweist, kann mit 3.200 € bis 3.600 € rechnen. Erste Tüftler greifen nach der Meisterprüfung – nicht allein des Titels wegen, sondern, weil damit mehr Eigenverantwortung und Gestaltungsspielraum winken. Weiterbildung? Unvermeidbar. Kein Job zum Ausruhen, so ehrlich muss man sein. Digitalisierung und Automatisierung stellen auch in der Glashütte inzwischen den gewohnten Arbeitsablauf infrage. Wer sich nicht regelmäßig fortbildet, riskiert, dass jüngere Kollegen einem irgendwann die Show stehlen.
Was mich an dem Beruf in Oberhausen trotz gelegentlicher Zweifel immer fasziniert hat: das Gleichgewicht aus handwerklicher Kontrolle und technischer Neugier. Manchmal fragt man sich – vor allem in den Phasen, wenn eine Großbestellung ausbleibt – ob das Berufsfeld nicht langsam ausdünnt. Und doch: Die Nachfrage nach individuellem, passgenauem Glas wächst gerade in Forschung, Medizin und High-Tech-Branchen weiter. Was viele Außenstehende unterschätzen: Diese unregelmäßigen, oft unerwarteten Auftragsspitzen erzeugen einen Rhythmus jenseits der normalen Industriefließbandarbeit. Ein Drahtseilakt? Vielleicht. Aber einer, für den allein schon das Staunen über jedes geglückte Werkstück entschädigt.
Um ehrlich zu sein: Wer Lust auf Monotonie hat, ist hier falsch. Wer sich jedoch für Technik, Präzision, das seltsame Abenteuer zwischen Flamme und Form begeistern kann – der findet in Oberhausen einen underrateden, aber zukunftsfähigen Handwerksbereich. Nicht immer bequem, kaum je spektakulär, aber immer ein bisschen außergewöhnlich. Man braucht Geduld. Und eine Prise stoischen Humor. Ich würde es mir trotzdem wieder aussuchen. Wirklich.
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