bib International College | 33098 Paderborn
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Man kann sich die Szene vorstellen: Ein Bildschirm im Halbdunkel, daneben die Reste eines Kaffeebechers, am anderen Ende ein nervöses Tippen. Das ist das Bild, das leicht hängenbleibt, wenn vom Game Entwickler die Rede ist. Aber – Hand aufs Herz – was steckt eigentlich dahinter? Besonders hier, in Kassel, einer Stadt, die über den Kunstbetrieb hinaus längst ihre Fühler in die digitale Kultur ausgestreckt hat. Wer sich als Berufseinsteiger:in oder wechselbereite Fachkraft für diesen Bereich interessiert, erlebt, dass Anspruch und Realität oft zwei verschiedene Paar Schuhe sind.
Würde man eine Hitliste der meistmissverstandenen Berufe aufstellen, der „Game Entwickler“ hätte gute Chancen auf dem Siegertreppchen. Spiele entstehen schließlich nicht aus bloßer Laune, sondern wachsen aus einem dichten Nebel aus Code, Design, Mathematik und – ja, leider auch Projektmanagement. Ein typischer Tag? Selten wirklich typisch: Mal werden Systeme geplant, dann Grafik-Assets integriert, wieder später Bugs gejagt, die sich versteckter geben als ein Bienenschwarm im Frühling. Die Arbeitsfelder reichen von Gameplay-Programmierung bis hin zu künstlicher Intelligenz, manchmal ist ein Hauch von Psychologie gefragt – oder sagen wir besser: die Kunst, Frustrationstoleranz im Team zu verteilen.
Kassel, die unterschätzte Stadt zwischen Nordhessens Mittelmaß und kulturellen Ausreißern, hat in den letzten Jahren erstaunlich viele kleine Studios und Startups hervorgebracht. Einen Hauch von Silicon Valley – nur ohne Palmen und mit robusteren Regenjacken. Unabhängig von dem, was manch Sprücheklopfer behauptet: Die Nachfrage nach Entwicklern, besonders solchen mit Know-how in Unity, Unreal Engine oder C#, ist da, aber sie schwankt spürbar. Die Hochschullandschaft vor Ort liefert frischen Input – selten Elite, doch dafür bodenständig, offen für Querdenker. Die Spieleszene bleibt überschaubar, aber dafür eng vernetzt. Was das bedeutet? Wer hier Fuß fasst, darf Eigeninitiative nicht auf laternenhohe Warte schieben. Wer lieber nur Pixel schiebt, wird irgendwann von der Realität rechts überholt.
Manche schwärmen vom vermeintlichen Goldrausch in der Gaming-Branche, aber in Kassel steht harte Realität neben kreativer Passion. Die Gehälter? Für Einsteiger:innen bewegen sie sich meist zwischen 2.700 € und 3.100 €, selten mehr – außer Spezialkenntnisse oder Erfahrung hebeln den Durchschnitt aus. Erfahrene Entwickler, die als Team Leads oder in der Leitung von Projekten unterwegs sind, können durchaus auf 3.400 € bis 4.200 € hoffen, vereinzelt mehr. Der große Wurf, der den Tesla in die Hofeinfahrt rollt? Kommt vielleicht mit etwas Glück, Eigenständigkeit oder dem Einstieg bei überregionalen Playern, von denen in Kassel allerdings nicht jeder träumen mag.
Eines habe ich beobachtet – und ich bin damit vermutlich nicht allein: In kaum einem Bereich veralten Skills so schnell wie im Game Development. Heute noch Shader-Artist, morgen vielleicht schon Gameplay-Designer, übermorgen? Vielleicht Prototyper mit VR-Schwerpunkt. Kassel punktet hier mit kurzen Wegen: Regelmäßige Workshops an der Kunsthochschule, Austauschformate mit der IT-Wirtschaft und das eine oder andere Indie-Meetup sorgen immerhin dafür, dass man nicht in der eigenen Bubble versauert. Weiterbildung ist kein Pflichtprogramm, sondern Selbsterhaltungstrieb, wenn’s um die nächsten Projekte geht. Wer das unterschätzt, steht irgendwann im Regen und fragt sich, wie man eigentlich so schnell von der Überholspur auf den Standstreifen kam.
Das eigentliche Geschenk dieses Berufs? Vielleicht ist es die Mischung aus nerdigem Stolz und dem leisen Zweifel, ob ein Level-Design nicht doch im dritten Anlauf besser geworden wäre. Zu Kassel – sagen wir es offen – passt das ganz gut: Wer hier Game Entwickler ist, lässt sich auf ein Spiel ein, das selten glanzvoll startet, aber Raum zum Wachsen bietet. Es bleibt zwiespältig: Viel Raum für Eigenheit, manchmal Neid auf die Szene in Berlin oder Hamburg. Aber vielleicht muss nicht immer alles Level 100 sein, um am Ende sagen zu können: „Dieses Spiel – meins.“ Das ist dann doch mehr, als viele in anderen Branchen erleben.
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