ESO Education Group | 20095 Hamburg
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Euro Akademie Hamburg | 20095 Hamburg
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Der Beruf des Auslandskorrespondenten – das klingt nach Abenteuer, Elan, Fernweh. Als ich zum ersten Mal das durchnässte Kieler Pflaster betrat und mir die Möwen ehrfurchtslos auf den Notizblock schauten, war das Flair von Weltläufigkeit spürbar, aber auch der bodenständige Charme eines norddeutschen Medienstandorts. Für Berufseinsteigerinnen und wechselbereite Kolleginnen stellt sich die Frage: Was erwartet mich in einer Stadt, die sowohl Zugang zum Welthandel als auch zur regionalen Hanse-Nüchternheit bietet? Die nüchterne Wahrheit: Das ist kein Traumberuf für Aussteiger – sondern ein herausforderndes Handwerk mit detailverliebten Anforderungen.
Wer als Auslandskorrespondent von Kiel aus arbeitet – und das gibt es tatsächlich öfter, als Außenstehende vielleicht vermuten –, bewegt sich bei Wind und Wetter zwischen Redaktionsraum und internationaler Wirklichkeit. Die typisch nordische Zurückhaltung täuscht: Der Arbeitsalltag verlangt keine zurückgelehnte Weltbetrachtung, sondern einen analytischen, kommunikativen Drahtseilakt. Sprachgewandtheit? Natürlich. Mehr als das: Es braucht die Kunst, kulturelle Nuancen zu erfassen, den politischen Wind zu lesen – und dabei klar im Kopf zu bleiben. Das ist wohl das Mindeste, was von einem Medienprofi an einem Knotenpunkt wie Kiel erwartet wird.
Was viele unterschätzen: Auch von Kiel aus netzt sich die internationale Medienlandschaft ein. Die Nähe zu den dänischen Grenzen, die Präsenz der Marineschiffe im Hafen oder die Leichtigkeit, mit der internationale Studierende auf den Straßen ihre Perspektiven teilen – all das formt das lokale Arbeitsumfeld. Fremdsprachenkenntnisse reichen nicht; es verlangt regionale Verankerung und die Gabe, selbst Unscheinbares ins globale Licht zu rücken. Ich hätte nie gedacht, dass aus einem Interview mit einem Kieler Reederei-Chef ein Beitrag über Nachhaltigkeit im maritimen Handel entstehen würde, der in London auf Interesse stößt. Und das ist keine Ausnahme – sondern Alltag zwischen regionaler Horizonterweiterung und globaler Themenjagd.
Finanziell? Wer auf die große Auslandsprämie hofft, den bremst die lokale Realität schnell aus. Berufseinsteigerinnen in Kiel kommen häufig auf ein Gehaltsniveau zwischen 2.800 € und 3.400 €. Mit wachsender Erfahrung kann das bis 4.200 € oder sogar darüber steigen, je nach Medium und persönlichen Schwerpunkten. Die Schere zwischen festen und freien Honoraren ist jedoch groß – und nicht selten fragt man sich, ob der eigene Mut zur internationalen Recherche ausreichend gewürdigt wird. Hinzu kommt der Umstand, dass innovative Formate – Podcast, visuelle Reportage, Social Reporting – derzeit in Kiel an Vielfalt gewinnen. Wer heutigen Ansprüchen genügen will, entwickelt daher oft nebenbei digitale Kompetenzen, die zunehmend als Türöffner gelten. Klassisches Texten, Foto- und Videoproduktion auf dem eigenen Laptop – das alles gehört zum Arbeitsalltag, und zwar ohne großen Firlefanz.
Manchmal schleicht sich der Zweifel ein: Muss ich für internationalen Journalismus nicht in die Großstadt? Ehrlich: Der Standort Kiel wirkt gegen den Branchentrend wie ein kleiner verborgener Anker. Hier treffen neue Medienkollektive auf traditionsbewusste Zeitungen, und dieser Medienspagat bringt ungewöhnliche Chancen. Wer Lust auf fortwährende Weiterbildung hat – ob Investigativseminar, Medienrecht oder crossmediale Produktion – findet in regionalen Institutionen ungewohnt viele Angebote. Aber natürlich, die Latte hängt hoch: Wer an den Brückenkopf der globalen Berichterstattung will, muss Sturmerprobt sein – fachlich wie mental.
Meine Erfahrung: Kiel ist weder Geheimtipp noch Auslaufmodell, sondern ein eigenwilliges Drehkreuz im Journalismus. Auslandskorrespondent bedeutet hier, das Große im Kleinen zu suchen – am Hafenkai, in der Uni-Bibliothek, manchmal im plötzlichen Gespräch mit einer internationalen Crew. Klingt herausfordernd? Ist es auch. Und doch lohnt es sich, weil manchmal ein einzelner, gut platzierter Satz in einer Kieler Reportage den globalen Diskurs anschubst. Oder zumindest eine Diskussion in der nächsten Redaktion.
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