iba Internationale Berufsakademie | 04103 Leipzig
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Zugegeben, als ich das erste Mal im Chemnitzer Norden in einem unrenovierten Atelier den verdunkelten Raum betrat und meine Stimme zur Begrüßung wackelte wie Wackelpudding, fragte ich mich: Muss ich diesen Spagat zwischen traditionellem Yoga-Ideal und ostdeutscher Lebenswirklichkeit wirklich selbst üben – oder gibt es den fertigen Lehrplan für die neue Yoga-Generation? Wer jetzt ein schlichtes Ja erwartet, verkennt die Widerhaken des Berufs. Yoga-Lehrende in Chemnitz stehen, selten bildlich, öfter jedoch mental, Kopf. Und zwar gleich auf mehreren Ebenen.
Der Alltag: Vielseitiger als gedacht, kleinteiliger als gehofft. Morgens Kurs im Industriehof, mittags Privatstunde für ein Unternehmerpaar, abends ein Präsenztraining im SPD-geprägten Süden – dazwischen Konzeptüberarbeitung, offene Rechnungen, Social-Media-Geplänkel und, ja, auch das: Fortbildung zum Thema traumasensitives Yoga. Ein Beruf, der nach außen Entspannung verspricht, aber nach innen eine fordernde Mischung aus Bewegungsdidaktik, psychologischem Gespür und ökonomischer Flexibilität voraussetzt. Chemnitz ist dabei ein ganz eigener Kosmos. Keine Hipster-Schlacht wie Berlin, keine Erleuchtung-to-go wie in München – sondern bodenständige Nachfrage, manchmal noch gepaart mit Erklärungsbedarf. Yoga als vermeintliches Wohlstandsprodukt? In Chemnitz: Eher Lebensbegleiter auf Zeit.
Nicht verschweigen sollte man das Thema Einkommen. Hier beginnt die sprichwörtliche Matte zu rutschen. Einstiegsgehälter liegen meist zwischen 1.900 € und 2.400 € – je nach Wochenstunden, Qualifikationsniveau und tatsächlicher Klientel. Wer mehr will, braucht Improvisationstalent. Ein Nebensatz: Manche Studios zahlen auf Honorarbasis, mal pro Kopf, mal pauschal. Die guten Lagen – Innenstadt oder Industrielofts – sind selten dauerhaft günstig, auch in Chemnitz nicht. Wer sein berufliches Glück im Angestelltenverhältnis sucht, muss es sich oft erst erstreiten. Und ja, es gibt sie, die wenigen Festanstellungen in Reha-Kliniken oder Fitnesszentren – dort winken durchaus 2.500 € bis 3.100 € im Monat, Stabilität inklusive, doch Flexibilität ade.
Was viele unterschätzen: Die Rolle von Weiterbildungen. Für Berufseinsteiger und Quereinsteiger gilt, was auf der Yogamatte ohnehin Gesetz ist – beständig üben, dranbleiben, anpassen. In Chemnitz tauchen neue Themen auf, die nach 2015 in Dresden vielleicht schon etabliert waren: Biodynamische Ansätze, Yoga bei psychischen Belastungen, Integrationsprojekte für Senioren. Und neuerdings Patente auf digitale Unterrichtskonzepte – der Lockdown hat Spuren hinterlassen; hybrides Unterrichten ist mehr als nur Notlösung. Das sorgt für Chancen, aber eben auch für ständige Anpassungsprozesse: Wer glaubt, das Zertifikat „reicht“, hat entweder eine sehr genügsame Zielgruppe oder plant den baldigen Ausstieg.
Die gesellschaftliche Lage? Changiert zwischen vorsichtiger Offenheit und dem berühmten „Was soll das überhaupt bringen?“. Hier punktet, wer lokale Alltagsrealitäten mit Authentizität verbindet. Denn Chemnitz ist nicht der Ort, an dem alles sofort „wellness“ ist. Mein Eindruck: Wer zuhören kann, nicht missioniert, sondern anknüpft – zum Beispiel am Erschöpfungsgefühl der Pflegenden, an körperlichen Verspannungen der Industriearbeiter oder an der mentalen Erschöpfung alleinerziehender Eltern – der findet Resonanz. Manchmal spät, manchmal leise, aber spürbar. Das verlangt Einfühlung, Humor und einen ordentlichen Schuss Pragmatismus. Natürlich, der Beruf ist kein goldener Weg, eher ein Barfußpfad mit Ecken, Kanten und gelegentlichen Dornen. Doch man wächst daran – auch in, mit und manchmal gegen den Strom der Stadt.
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