jb company | 90403 Nürnberg
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Schlosshotel Steinburg | 97070 Würzburg
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Nürnberg: Traditionsbewusst und auf Zeitreise, aber keinesfalls schläfrig. Wer hier als Sommelier oder Sommelière auf der Restaurantfläche landet, merkt ziemlich rasch: Der Spagat zwischen feinen Tropfen, den Eigenarten der fränkischen Kundschaft und gastronomischer Realität ist ein gelernter Drahtseilakt – Stolpern inbegriffen. Gerade wer frisch aus der Ausbildung kommt oder als Fachkraft mit Erfahrung aus anderen Regionen einsteigt, steht vor mehr Fragen als Antworten. Was erwartet einen wirklich? Und warum klingt das Berufsbild nach Hochglanz, ist aber in der Praxis oft pure Wirklichkeit?
Zugegeben, das Bild vom klassischen „Weinkellner“ ist längst verblasst. In Nürnberg ist der Sommelier, wie überall sonst, längst mehr als der Staubwedel für den Weinkeller. Tägliche Aufgaben reichen vom kreativen Aufbau der Weinkarte (Stichwort Regionalbezug: Silvaner, Bacchus und Co. sind Pflichtlektüre) bis zum Schultern des Einkaufs und, sobald die Tische voll sind, zur oft unterschätzten Gastgeberrolle. Klingt charmant – fühlt sich in der heißen Phase aber manchmal an, als müsse man gleichzeitig Jongleur, Dolmetscher und Krisenmanager sein. Fragen zu Biozertifikaten, veganem Ausbau, Orange Wines? Kommen. Schnell. Und dann kommt da noch die Nachbarschaft. Fränkische Küche trifft auf internationalen Geschmack. Manchmal fragt man sich: Wie viel Experiment wagt Nürnberg außerhalb der Klassiker? Ehrliche Antwort: Mehr als gedacht, aber nie ohne ein Auge auf das Stammklientel.
Viele unterschätzen die seismografische Arbeit: Den richtigen Ton für das jeweilige Gästepublikum treffen, mal Zurückhaltung, mal Leidenschaft zeigen. Weit wichtiger als das Zertifikat an der Wand (und die gibt es: IHK, VDP-Akademien, private Institutionen) sind Alltagstugenden wie Geduld, Menschenkenntnis – und dass man auch nach einem 12-Stunden-Tag noch halbwegs charmant beraten kann. Das klingt jetzt nach Schweiß, ist es auch. Trotzdem gibt es kein Berufsbild, das so eng an die persönlichen Eigenheiten gekoppelt bleibt. Wer Nürnberger Originale als Gäste gewinnen will, braucht Feingefühl, humorvolle Schlagfertigkeit und, so seltsam das wirkt, einen kleinen Hang zur Selbstironie. Nennen wir es: Innere Standfestigkeit gegen alles, was im Glas schwimmt (oder eben nicht).
Die wirtschaftliche Seite? In Nürnberg haben Boutique-Hotels, Traditionshäuser und moderne Gastronomiekonzepte längst erkannt, dass der gute Sommelier mehr ist als Dekoration auf der Lohnliste. Was viele nicht wissen: Die Nachfrage wächst, allerdings langsamer als in Großstädten wie Hamburg oder Berlin. Hier wird auf Substanz gesetzt. Unterm Strich bedeutet das: Flexible Einsatzzeiten, natürlich, aber auch Gestaltungsspielraum. Gerade Weinkarte und Pairing-Konzepte liegen oft in der Hand der Fachkraft – sofern das Management Vertrauen hat. Und das Gehalt? Einstieg meist bei 2.500 € bis 2.900 €; mit Zusatzqualifikation und Erfahrung in der gehobenen Gastronomie sind 3.000 € bis 3.600 € keineswegs utopisch. Man darf keine Millionenträume hegen, doch für Nürnberg, wo Lebenshaltungskosten noch halbwegs im Zaum bleiben, rechnet sich das.
Ein Taktikspiel ist das auch: Wer in Nürnberg Fuß fassen will, profitiert von lokalen Weiterbildungsinitiativen, etwa Verkostungsworkshops oder Projekten mit Winzerbetrieben aus Mainfranken. Spannend: Im Vergleich zu anderen Regionen schätzt man hier weniger das international gestylte Showtalent, sondern solides, handfestes Weinverständnis. Technologietrends wie digitale Kellermanagementsysteme sind im Kommen, aber noch kein Branchenstandard, vor allem nicht in familiengeführten Häusern. Das mag auf den ersten Blick altmodisch wirken – tatsächlich ist es eine stille Stärke. Wer Geduld mitbringt, den Wandel mitträgt, aber sich nicht verbiegt, hat im fränkischen Gastronomie-Dickicht beste Karten.
Also, ist der Sommelier-Beruf in Nürnberg eine Einladung ins Schlaraffenland? Wohl kaum. Eher eine Herausforderung, die gleich viele Hüte verlangt: Handwerker, Psychologe, Trendsetter – aber immer auf eigene, regionale Art. Meine persönliche Erfahrung: Es gibt keine Schablone, kein Drehbuch. Wer sich auf feinsinnige Gäste, stille Glanzmomente und gelegentliche Zumutungen einlässt, der merkt schnell: Hier in Nürnberg wird Wein nicht nur bestellt, sondern diskutiert. Und das, so viel Offenheit muss sein, ist manchmal anstrengend – meistens aber ein ziemlich lohnendes Abenteuer.
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