Restaurant Die Glocke | Münster
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Hotel Gräfrather Hof | 42651 Solingen
Restaurant Die Glocke | Münster
Hotel Gräfrather Hof | 42651 Solingen
Manchmal frage ich mich, wie viele Gastro-Neueinsteiger:innen eigentlich wissen, worauf sie sich einlassen, wenn sie sich für den Beruf des Sommeliers in Hamm entscheiden. Es klingt ja erstmal verlockend: der Duft offener Flaschen, Gespräche über Terroir, dazu das Funkeln teurer Gläser im Kerzenlicht. Aber der Alltag – und vor allem der regionale Kontext – ist dann doch ein paar Schlucke ernüchternder als all die schicken Hochglanzfotos aus den Gourmetmagazinen.
Wer in Hamm als Sommelier oder Sommelière unterwegs ist, muss zwar keinen Master in Önologie mitbringen, aber bloßes Schwärmen vom Lieblingsburgunder reicht eben auch nicht. Die Gäste hier – das ist mein Eindruck nach diversen Gesprächen – erwarten Beratung mit Hand und Herz. Der Spagat zwischen fachlicher Tiefe und nordrhein-westfälischer Bodenständigkeit, der ist kniffliger, als viele glauben. Weinkarte aufbauen, Bestellungen mit dem Küchenchef abstimmen, Schulungen für das Personal, Kontakte mit lokalen und internationalen Winzern halten – das ist eher Tagesgeschäft als Schnuppern an der Magnum. Und in Hamm läuft dieser Dienst häufiger in bodenständigen Bistros oder ambitionierten Restaurantküchen, nicht im Luxus-Tempel. Das bremst die Hybris, ist aber ehrlich. Was viele unterschätzen: Der Wein tritt oft in den Ring mit Pils oder Kräuterlikör. Es gehört schon Fingerspitzengefühl dazu, Gäste vom passenden Riesling zum Zwiebelrostbraten zu überzeugen – Lachanfall inklusive, wenn das Taxi nach Somló gefragt wird.
Jetzt zur Frage, die (fast) alle quält: Lohnt sich das finanziell? Die Wahrheit: Wer hier als Sommelier einsteigen will, kann mit einem Gehalt von 2.400 € bis 3.000 € rechnen – je nach Laden, Erfahrung und Zusatzqualifikation. Klar, in Spitzenetablissements ist mehr drin. Doch Hamm ist nicht München, und man konkurriert zwangsläufig auch mit Quereinsteiger:innen, die „nur“ Leidenschaft und Gastroerfahrung mitbringen, aber keinen offiziellen Abschluss. Die Personalstruktur ist regional oft so, dass Multitalente gesucht werden – Service, Beratung, etwas Einkauf, vielleicht Abendkasse. Arbeitgeber stapeln hohe Erwartungen, manche träumen vom eigenen Weinkeller (der offen gesagt immer noch lieber als Lagerraum genutzt wird). Kurz: Wer rein will in die Weingastronomie, muss flexibel bleiben und darüber hinwegsehen, dass Sommelier nicht gleich Sommelier ist. Es zählt, was auf dem Boden der Flasche ankommt.
Man kann nicht ignorieren, dass die Szene in Hamm an Fahrt aufgenommen hat – zumindest im Rahmen des Machbaren. Bio-Weine? Wird nachgefragt, aber die Mehrheit bleibt traditionsbewusst. Orange? Manchmal im Gespräch, aber selten im Glas. Allerdings: Die Bereitschaft der Gäste, sich auf Neues einzulassen, wächst. Was auffällig ist, gerade im letzten Jahr – kleinere Weingüter aus der Eifel oder vom Kaiserstuhl tauchen regelmäßig auf Karten auf. Ich habe den Eindruck, dass sich die hiesigen Gastronomen mehr trauen als noch vor fünf Jahren. Kurze Transportwege, nachhaltiger Einkauf, Winzer:innen mit echter Geschichte – das sind Argumente, die langsam durchdringen. Ob das jetzt ein Umschwung oder nur eine Mode ist? Schwer zu sagen. Vielleicht bin ich da zu skeptisch. Aber eins steht fest: Wer hier als Weinspezialist:in arbeitet, hat größere Chancen, wenn er nicht nur klassische französische Tropfen kennt, sondern auch mal einen fruchtigen Elbling aus dem Saarland empfehlen kann – Ironie des Schicksals inklusive, wenn jemand statt Sprudel zum Mineralwasser greift.
Viele fragen sich, wie es nach dem ersten Jahr weitergeht. Immer noch Flaschen öffnen und Etiketten erklären? Die Antwort ist – wie so oft – ein Jein. Der Weiterbildungsspielraum ist groß, etwa durch zertifizierte Lehrgänge oder Schulungen, die das Portfolio erweitern. Kompetenzen rund um Foodpairing, alkoholfreie Alternativen oder internationale Spirituosen – all das wird zunehmend gefragt. Aber: Wer Karriere machen will, muss Eigeninitiative zeigen und lokal mitdenken. Zu glauben, man könne sich in Hamm auf ein festes Entwicklungsprogramm verlassen, ist verwegen. Hier zählen Engagement, Timing – und manchmal, ganz pragmatisch, ein gutes Händchen bei den richtigen Gästen.
Am Ende bleibt das Bild des Sommeliers in Hamm widersprüchlich – aber gerade das macht den Reiz aus. Es ist eine Gratwanderung zwischen Fachwissen und regionaler Authentizität, zwischen Weinglas und Spülküche. Wer sich darauf einlässt, braucht mehr als Fachbücher – nämlich Neugier, Durchhaltevermögen und die Bereitschaft, sich auch an Bratkartoffel-mit-Chardonnay-Kombis die Zunge zu verbrennen. Ein Beruf mit Charakter – und Stolpersteinen. Aber genau deswegen lohnt es sich vielleicht, trotzdem den Korkenzieher in die Hand zu nehmen. Oder?
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