B.O.B. GmbH | 80331 München
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Gleich vorweg: Den perfekten Einstieg in die Augsburger Gastronomieszene als Sommelier gibt es nicht. Wer in dieser Stadt mit ihrer eigenwilligen Mischung aus Traditionsbewusstsein und studentischer Lebendigkeit Fuß fasst, gerät schnell zwischen Anspruch und Alltagsärger. Zwischen funkelndem Glas und Frankenschiefer liegt eben oft genug der matschige Weg durch Servicezeiten, an denen sich andere längst ins Wochenende verabschiedet haben. Und doch. Wer einmal die tiefe Befriedigung gespürt hat, mit einer klugen Empfehlung den verschlossenen Gast zum Lächeln zu bringen, weiß, warum diese Branche nie ihren Reiz verliert – zumindest nicht für mich. Oder war es nur der Riesling, der sich da ins Hirn schlich?
Mancher stellt sich den Sommelier als halb akademischen, ganz erleuchteten Weisen vor, der in stiller Andacht Korken prüft. Augsburg, das muss man klar sagen, ist nicht Bordeaux. Der Sommelier in einer Augsburger Brasserie, einem schicken Altstadtrestaurant oder gar im Hotelbetrieb ist Fachkraft, Verkäufer, Sensoriker und Krisenmanager in Personalunion. Neben der Weinkarte (die sowieso nie jedem Chef passt) gehören Aperitifs, Digestifs, alkoholfreie Pairings und gelegentlich sogar Craft-Bier oder Tee ins Portfolio – der Gast bleibt selten beim Vorurteil stehen.
Diese Vielseitigkeit verlangt Belastbarkeit. Gesprächsführung zwischen Opa, der „den Grünen Silvaner“ verlangt, und hipper Studentengruppe auf Low-Budget-Jagd. Ironischerweise zeigt sich an solchen Abenden, dass blanke Weinkenntnis oft weniger hilft als diplomatisches Geschick. Ob man sich damit anfreunden kann, entscheidet über Freude oder Frust im Job. Gewissermaßen: Schweiß gehört dazu, auch in weißen Handschuhen.
Wer in Augsburg als Sommelier einsteigt, findet auf dem Papier eine klare Wirtschaftslogik vor: Qualifikation zählt, aber das Persönliche, das geht nie ganz weg. Die Spannweite beim Gehalt? Ernüchternd ehrlich gesagt. Die meisten Betriebe zahlen beim Einstieg zwischen 2.500 € und 2.900 € – und auch wer einige Jahre Berufserfahrung mitbringt, wird selten deutlich über 3.200 € hinauskommen. (Natürlich gibt es Ausnahmen – aber die darturnen traditionell zwischen Feinschmeckerlokalen am Rand der Maximilianstraße oder in großen Hotels, die regelmäßig ambitionierte Talente locken.)
Interessanter wird es für Sommelierinnen und Sommeliers mit Zusatzqualifikationen: Wer Barista-Kenntnisse, Sensorikschulungen oder etwa einen Hang zu Naturweinen mitbringt, dem stehen vor allem im urbanen Umfeld wie Augsburg weitere Türen offen – aber Wunder darf niemand erwarten. Preisdruck und Gästewandel lassen grüßen. Oder, anders gesagt: Die sprichwörtliche Flasche Prädikatswein muss nicht aus dem Burgund sein. Hauptsache, sie passt ins Konzept. Das ist vielleicht nicht romantisch, aber realistisch.
Was viele unterschätzen: Augsburgs Gastronomieszene schwankt seit Jahren zwischen solidem Lokalkolorit und wagemutigen Konzepten. Der Durst nach Neuem – Pet Nat, Orange Wine, alkoholfreie Fermentgetränke – findet offene Ohren. Wer aber glaubt, hier einfach das große Sommelier-Rad drehen zu können, merkt schnell: Der Schwabe bleibt schwäbisch. Gelingt es, regionale Nachhaltigkeit mit internationalem Weitblick zu verbinden, entstehen die spannendsten Projekte. Ein Paradebeispiel? Das Zusammenspiel zwischen traditionsreicher Küche und innovativen Weinkarten, oft inszeniert von jungen Sommeliers, die gar nicht vorhaben, in München zu landen.
Ein Tipp, den ich selbst fast zu spät verstanden habe: Lokale Winzerkooperationen, kleine Biodynamik-Projekte – das gibt dem Betrieb ein Gesicht, und für den Sommelier bedeutet es Bühne und Verantwortung zugleich. Augsburg ist dabei unangestrengt weltoffen. Ein Sancerre aus dem Silvanergebiet? Wird probiert. Ein Cuvée vom Lech? Warum nicht. Kurz: Wer bereit ist, auszuprobieren, kann sich hier fachlich wie emotional einnisten.
Sommelier in Augsburg zu werden, heißt, sich aussetzen. Der Alltag umfasst ewiges Hin und Her zwischen Anspruch, Begeisterung, Langeweile und gelegentlichen Frustattacken. Niemand wird reich, aber klüger vielleicht schon. Wer sich von Handy-Scannern, digitalen Weinkarten und dem berüchtigten Gast mit Wikipedia-Syndrom nicht verrückt machen lässt, entwickelt Gelassenheit – vielleicht das Wichtigste am Beruf.
Bleibt – bei mancher Unsicherheit im Wandel der Zeit – doch eines konstant: Die Lust daran, Menschen für Genuss zu begeistern, ausgerechnet hier, zwischen Lech, Fuggerturm und der ewigen Frage, ob Riesling wirklich alles kann. (Kleine Antwort? Fast alles, aber das muss jede und jeder für sich selbst herausfinden.) Wer in Augsburg einsteigt, weiß: Das ist kein Spaziergang, kein Zuckerschlecken. Aber es gibt schlechtere Orte, um herauszufinden, ob Weingenuss eine Berufung sein kann – oder eben doch nur ein schöner Rausch.
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