Mein Schiff Crew | 99986 Niederdorla
- Relevanz
- Titeltreffer
- Datum
Mein Schiff Crew | 99986 Niederdorla
Manchmal denke ich: Wer als Saucier arbeitet, ist so etwas wie der Lead-Gitarrist in einer Band, aber niemandem fällt's auf – bis der Ton nicht stimmt. Dabei sind die Soßen oft die heimlichen Stars auf dem Teller: Ohne sie bleibt selbst das kunstvoll angerichtete Hauptgericht fad. In Kassel, einer Stadt, die kulinarisch gern unterschätzt wird (vielleicht zu Unrecht?), schiebt sich gerade der Berufsbereich Saucier leise, aber entschieden ins Rampenlicht. Warum? Weil Kunst und Handwerk im Saucier-Beruf eine seltene Liaison eingehen, deren Subtilität den Unterschied zwischen Standard und Stern ausmacht. Sehr hochtrabend? Mag sein – aber so fühlt sich der Alltag manchmal an, selbst bei Regen im September und schlechter Kartoffelernte.
Darüber könnte man einen Aufsatz schreiben, oder ehrlicher: einen Erfahrungsband voll kulinarischer Stolperfallen. Der Saucier steht, klassisch gesehen, für alles, was suppig, sämig, schaumig oder temperamentvoll aus der Kelle kommt. Saucen, Fonds, Jus, Ragouts – das ist sein Revier. In Kassel trifft diese Aufgabe auf eine Gastronomieszene im kleinen Umbruch: Die Sterne-Gastronomie blinzelt Richtung regionale Identität, Sternerestaurants setzen genauso auf Gerichte im Mittelklassehotel oder auf die verlässlich deftige Küche in Wilhelmshöher Wälder-Kneipen. Und da, wo Kartoffeln neben Rehrücken auf dem Teller landen, braucht's Fingerspitzengefühl – und eine innere Landkarte, die jeden Tropfen Butter oder Pinot Noir richtig platziert.
Jetzt mal Tacheles: Der Alltag als Saucier ist weniger Oper, mehr Hardcore-Bandprobe. Stundenlanges Reduzieren, nebenher Abschmecken, zwischendrin Azubi-Fragen („Warum stockt das jetzt wieder?!“), dann der Sprung ans Plattieren, zurück zur Reduktion... Multitasking als Pflicht, Händchenhalten mit Zeitdruck, präziser als so mancher Maschinenbauer. Was viele unterschätzen: Die Stellen sind rar, Konkurrenz schläft nie, und Kassels Restaurants kochen ambitionierter – aber rechnen auch schärfer. Ein bisschen Geduld muss mit, Fehler verzeiht die Brigade selten.
Im Ernst: Noch laufen die Küchen häufig nach dem alten französischen Rangsystem. Wer Küchenchef werden will, kommt an einer (oder zehn) Runden am Saucier-Posten kaum vorbei. Und seien wir klar – hier wird gehackt, reduziert, montiert, bis der Arzt kommt. Man braucht Rhythmus im Handgelenk, einen Sinn für Chemie (zumindest kulinarisch) und ein Nervenkostüm, das auch nach der fünften Kellenprobe noch Nuancen erkennt. Oder? Ich meine ja. Im Hinterkopf: Wer den Laden einmal aus der Saucier-Perspektive gesehen hat, weiß, wie viel schiefgehen kann, aber auch, wie viel Stolz in so einem Löffel steckt.
Was kostet die Leidenschaft? Die Gehälter schwanken: In Kassel selbst kann ein Saucier mit Berufserfahrung durchaus zwischen 2.600 € und 3.200 € monatlich rechnen. Einstieg? Eher bei 2.400 €. In höherklassigen Betrieben sind – je nach Renommee und Zusatzqualifikation – bis 3.500 € möglich. Klar, in Paris lacht man darüber, aber Kassel ist nicht Paris. Die Lebenshaltung zieht nicht so am Ersparten. Trotzdem: Gegenüber dem Stress, den Schichtplänen, der körperlichen Belastung – puh, da muss die innere Feuerprobe sitzen.
Wer übrigens auf der Suche nach „mehr“ ist – also nach Förderung, Spezialisierung, (ich sag mal) erweiterter sensorischer Bildung – hat in Kassel und Umgebung einige Optionen. Handwerkskammer, Berufsschulen, sogar regionale Kochclubs bieten Workshops oder Weiterbildungen im Bereich Saucentechnik, moderne Bindemittel, vegane Fonds und, ja, sous-vide-Optimierungen. Ob das hilft, den Jobstress zu lindern? Ansichtssache. Aber das Gefühl, als Saucier wirklich mitzuspielen, wächst mit jeder neuen Fertigkeit.
Was viele irritiert: Kassel ist ein Stresstest für Saucen. Die Gäste hier mögen’s ehrlich, bodenständig, aber nicht bieder. Wer etwa die lokale Wildküche ignoriert, hat’s schwer – aber wer die heimische Rinderbrühe nach Lehrbuch macht, verliert sich im Mittelmaß. Saucier in Kassel zu sein, bedeutet also: Herzblut auf hohem Niveau. Selten die glorreichen Momente, aber oft das stille Nicken des Küchenchefs. Vielleicht reicht das für einen guten Arbeitstag. Oder doch nicht?
Fazit? Nein, das gibt’s nicht. Eher die Erkenntnis: Saucier bleiben ist ein bisschen wie Kasseler Winter – manchmal grau, manchmal überraschend mild, oft herausfordernd. Aber wer den richtigen Ton im Sud trifft, steht ganz vorne, auch wenn vorn keiner klatscht. So ist das eben mit Leidenschaft, die sich selten laut meldet.
Das könnte Sie auch interessieren