heroal - Johann Henkenjohann GmbH & Co. KG | 33415 Verl
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Der erste Tag als Produktingenieur – ich erinnere mich noch ziemlich deutlich an dieses Gefühl, wie man mit frischem Abschluss und dem Kopf voller Theorien zwischen Konstruieren, Tüfteln und endlosen Meetings auf einmal an echten Aufgaben sitzt. Und dann auch noch in Kassel! Die Stadt, die manche als unterschätztes Industriezentrum feiern, andere fast verschlafen nennen würden. Mir war klar, dass ich hier keinen glatten Karrierequickie erlebe, dafür bietet die Stadt zu viel Eigensinn – zwischen Bahntechnik, Zuliefererbetrieben und überraschend viel grünem Erfindergeist. Und ja, ein Stück weit lebt Kassel auch vom Image als Schnittstelle: Die zentrale Lage im Land – Autobahn, ICE, aber auch irgendwie immer ein bisschen abseits der ganz großen Metropolen. Das prägt auch unseren Berufsethos. Findet jedenfalls mein Kollege aus Baunatal.
Produktingenieur – klingt nach dem Typen, der alles kann, oder? Ein wenig Schmunzeln sei erlaubt: In Wahrheit ist es (zumindest hier in Kassel) ein Job für Leute, die sich gern an Grenzen tasten – technisch, organisatorisch, oft auch sozial. Entwicklung neuer Bauteile für die Fertigung? Klar, das gehört dazu. Aber wer glaubt, es gehe nur um das Jonglieren mit 3D-CAD-Modellen und Normen, der landet spätestens nach dem zweiten Projekt mit beiden Füßen in den Produktionshallen. Und das ist mir lieber als jede PowerPoint-Orgie. Oder wie mein Ausbilder mal sagte: „So lange du die Werkbank meidest, fehlt dir die halbe Wahrheit.“
Besonders in Kassel kommt noch diese spezielle Durchlässigkeit hinzu: Forschung von der Uni, Tüftlermentalität in den Zulieferbetrieben – und dazwischen Produktingenieure, die so etwas wie Grenzgänger sind. Mal sind wir Übersetzer zwischen Konstruktion und Fertigung, mal Prozessoptimierer, dann wieder Troubleshooter auf der Linie. Langweilig? Kaum. Manchmal wünschte man sich geradezu ein bisschen Routine – bekommt aber dann doch eher eine neue Norm, ein plötzlich verändertes Lieferdatum oder, besonders hübsch, einen Sprint für irgendein Sondermodul aufgedrückt...
Eines ist klar: In Kassel arbeiten Produktingenieure selten im luftleeren Raum. Noch immer sitzen hier Traditionsunternehmen, aber die Stadt hat sich ganz sacht in Richtung Zukunft verschoben. Die Automatisierung von Fertigungsabläufen, Digitalisierung in der Produktentstehung – das alles trifft auch die altehrwürdigen Maschinenbauer und Bahntechniker. Und zwar spürbar. Ich sehe es fast täglich: Kolleginnen und Kollegen, die auf einmal mit agilen Methoden experimentieren oder sich mit Softwarefragen herumschlagen, die vor ein paar Jahren außerhalb der IT-Branche noch Seltenheitswert hatten. Verunsicherung? Natürlich. Aber gerade das macht es spannend: Wer bereit ist, sich auf Wandel einzulassen (und nicht an jedem Überstundenknoten verzweifelt), kann in diesen Jahren tatsächlich zum Hebel werden – für Innovationen, die man so auf dem Lehrplan nie gesehen hat.
Nicht zu vergessen: das Gehalt. Ja, reden wir darüber. In Kassel liegt das Einstiegsgehalt für Produktingenieure meist zwischen 3.400 € und 3.900 €, je nach Branche, Betrieb und Verhandlungsgeschick. Wer einige Jahre auf dem Buckel und ein Faible für knifflige Projekte hat, findet sich durchaus auch in Regionen von 4.200 € bis 4.700 € wieder. Kein Berliner Niveau, aber für nordhessische Verhältnisse solide – und, das darf man gern betonen: Die Lebenshaltung in Kassel spielt einem da sehr entgegen. Ein WG-Zimmer, das einem in München ein müdes Lächeln kostet, zahlt sich hier noch als Investition in Lebenszeit aus.
Was viele unterschätzen: Die Beanspruchung ist nicht zu unterschätzen. Blitzartig kann die Taktung anziehen – und der berühmte Spagat zwischen Entwicklung, Qualitätsmanagement und Kundenbesuch fühlt sich manchmal wie ein Hochseilakt ohne Netz an. Ja, der Beruf fordert – aber ehrlich gesagt, will ich auch nicht mehr zurück in die Zeit, in der man nicht gefragt wurde, wie Prozesse besser laufen oder welcher Kniff am Prototyp Gold wert ist. Wer sich vor Verantwortung drückt, fliegt. Wer neugierig bleibt, kann dafür mehr erleben als an manch anderem Schreibtischposten in der Region.
Und Ausbildungsmöglichkeiten? Kommen nicht zu kurz. Kassel ist ein Ort, an dem Weiterbildung tatsächlich noch ernst genommen wird – ob als Schulung in Innovationsmanagement bei den Großen, als handfestes Seminar im Mittelständler, oder als Tandemprojekt mit der Hochschule. Wer hier stehenbleibt, tut es aus eigenem Antrieb. Oder Bequemlichkeit. Oder, ganz ehrlich, aus Angst vor den manchmal schon ziemlich fordernden Anforderungen, die diesem Job mit jedem Marktumbruch neu abgerungen werden.
Am Ende frage ich mich nicht selten: Bin ich in Kassel irgendwann angekommen – oder ist der Job als Produktingenieur nie mehr als ein Streifzug durch das, was technisch machbar ist? Vielleicht liegt gerade darin die Magie: Zwischen hessischer Direktheit, dem spröden Charme der Industrie und dem ständigen Wandel wartet manchmal ein echter Glücksmoment. Wenn ein neues Produkt funktioniert – und man im Feierabendlicht sieht, wie viel mehr als Technik hinter dem Job steckt. Keine Frage, Kassel ist keine Bühne für Show-Ingenieure, aber ein gutes Pflaster für alle, die Technik mit Haltung mögen. Und vielleicht ist das ja mehr Wert als das glänzende Etikett, das einem woanders schneller aus der Mode kommt, als man „Prototyp“ sagen kann.
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