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Wie viele junge Akademiker steckte ich voller Erwartungen, als ich – frisch mit Diplom bewaffnet – 2018 in Münster ankam. Hand aufs Herz: Die Welt der Polymerchemie leuchtet nicht jedem direkt ein. Auch den Münsteranern nicht. „Kunststoffe? Ihr macht doch Plastik, oder?“ – Solche Dialoge gehören dazu. Und ja, da steckt eine Wahrheit drin, aber eben auch eine erstaunliche Komplexität, die mancher erst in seinem zweiten oder dritten Berufsjahr wirklich durchdringt.
Polymerchemiker, das klingt erstmal abstrakt, ist aber in Münster alles andere als ein Nischendasein. Hier verschränken sich Grundlagenforschung und industrienahe Entwicklung in einem Maße, wie ich es aus anderen Regionen selten erlebt habe: Der sogenannte „Wissenschaftscampus“ mit seiner direkten Verbindung zu mehreren internationalen Unternehmen und Instituten ist kein Elfenbeinturm. Eher ein vielarmiger Oktopus, der seine Tentakel Richtung Energie, Medizintechnik und vor allem nachhaltiger Werkstoffe ausstreckt. Wer in dieser Disziplin einsteigt, landet schnell zwischen analytischer Geduldsarbeit im Labor und strategischem Nachdenken über Ressourceneffizienz. Immer wieder frage ich mich: Ist das jetzt spröde wie Polyamid oder elastisch wie Silikon? Die Wahrheit liegt, wie so oft, dazwischen.
Die Stadt selbst? Tja, Münster wirkt auf den ersten Blick vielleicht nicht wie das natürliche Biotop für High-Tech-Kunststoffforschung. Aber der Eindruck täuscht. Die Wege sind kurz, Entscheidungswege mitunter noch kürzer, weil viele Einrichtungen Tür an Tür arbeiten – die Uni, Max-Planck-Institute, Firmen auf dem Industriecampus. Der Austausch auf dem Flur funktioniert manchmal besser als jedes Planungstool. Was viele unterschätzen: Nicht selten entstehen die spannendsten Projekte hier am Rande des Westens, jenseits der Metropolen. Immer mit einer Prise westfälischer Bodenständigkeit, die gerade Berufseinsteiger manchmal zum Schmunzeln bringt. „Mehr machen, weniger schnacken“ – das Motto hat schon den einen oder anderen Münchner Kollegen überrascht.
Womit man sich abfinden muss: Die Anforderungen an junge Polymerchemiker sind hoch. Disziplinen verschwimmen – von der organischen Synthese über Materialanalytik bis hin zu Soft-Skills, mit denen man Projektgruppen, Präsentationen und Patentanmeldungen meistert (und, ja, oft auch schlicht Nerven bewahrt). Es läuft nicht alles nach Lehrbuch. Vieles entwickelt sich in Echtzeit – Energiemärkte, EU-Regularien, Recycling-Vorgaben. Plötzlich muss man weg vom Syntheseprotokoll und stattdessen das nächste Förderprojekt mittechnisch beurteilen. An solchen Tagen sehnt man sich manchmal in den scheinbar klaren Kosmos der NMR-Spektren zurück. Aber dann – ein Durchbruch im Team, das erste Feedback aus der Industrie, und man weiß wieder, warum man hier ist.
So viel zur Basis. Im Alltag verdienen Einsteiger in Münster meist zwischen 3.500 € und 4.400 €. Mit Promotion, Branchenerfahrung oder einem glücklichen Einstieg in große Verbundprojekte liegt die Spanne noch ein Stück höher. Aber Achtung: Der Münsteraner Markt reagiert wie ein hochvernetztes Polymer. Wer nahtlos mit anderen Disziplinen arbeitet, innovative Prozesse anstößt und über den eigenen Tellerrand schaut, bleibt gefragt – trotz Verschiebungen im Markt durch Nachhaltigkeitsziele und die immerwährende Suche nach recyclingfähigen Werkstoffen. Weiterbildung? Ohne geht eigentlich nichts. Ob es der nächste Kurs zu nachhaltigen Polymeren ist oder die klassische Projektmanagement-Schulung – in Münster ist die Schwelle zum nächsten Entwicklungsschritt meist angenehm niedrig. Am Ende zählt, was man daraus macht (und manchmal, wer einem auf dem Gang begegnet).
Ich will nichts beschönigen: Die Polymerchemie – speziell hier in Münster – ist ein Feld voller fachlicher Herausforderungen, enger Zeitpläne, gelegentlicher Frustration im Labor. Aber auch ein Arbeitsumfeld für Phasenübergänge: Zwischen Skepsis und Vision, Kittel und Konferenzraum, Theorie und Prototyp schwingt immer die Möglichkeit, an etwas mitzuwirken, das weit über „Plastik“ hinausgeht. Wer hier einsteigt oder sich wagt, das Lager zu wechseln, sollte Geduld mitbringen, einen Schuss Eigenhumor – und sich nie zu schade sein, eine blöde Frage zu stellen. Vielleicht ist das am Ende das Nachhaltigste: nicht nur die Polymere, sondern auch den eigenen Weg immer wieder neu zu vernetzen. Apropos: Dürfte ich wählen, ich würde den Weg wieder gehen. Wahrscheinlich sogar ein bisschen schneller – und mit weniger Respekt vorm ersten Fehlschlag.
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