BAM Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung | 10115 Berlin
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BAM Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung | 10115 Berlin
Es gibt Berufe, die wirken im ersten Moment wie ein gut sortierter Werkzeugkasten: Man nimmt, was man braucht, tüftelt, dreht eine Runde – und fertig. Polymerchemiker gehören nicht dazu. In Berlin schon gar nicht, meine ich. Hier ist die Welt der langen Polymere, der unnachgiebigen Kunststoffe und flexiblen Makromoleküle ein erstaunlich lebendiger Schauplatz – voller unerwarteter Wendungen, gesellschaftlicher Nebenwirkungen und, man mag es kaum glauben, gelegentlich sogar politischem Boulevardwert. Wer also gerade als Berufseinsteiger, Routenwechsler oder schlicht neugieriger Kopf nach einem echten „Anfass-Beruf mit Reaganzpotenzial“ sucht, dem sei dieser Blick durch die Berliner Polymerbrille empfohlen.
Die Frage klingt fast zu schlicht, um sie zu stellen, aber oft wird sie unterschätzt. Klar – Kernkompetenzen sind die Entwicklung und Synthese von Polymeren, die Steuerung von Kettenlängen, Copolymerisaten und der liebevolle Umgang mit Katalysatoren. Aber Berlin? Hier reicht das Spektrum noch deutlich weiter. Zwischen Spree und S-Bahn spielt die Musik meist in Forschungslaboren renommierter Institute, Innovationsabteilungen der Industrie – oder, weniger spektakulär, in gefühlt ewigen Diskussionen mit Entwicklungsingenieuren und Patentrechtlern. Wer Sinn für Abwechslung hat, findet in Berlin ein Füllhorn: Medizinische Kunststoffe für Start-ups im Medizintechnik-Dreieck, recyclingfähige Verbundmaterialien für die nächste Nachhaltigkeits-Offensive und sogar biobasierte Verpackungen für die hippen Cafés am Prenzlauer Berg. Es gibt Tage, da fühlt man sich fast wie ein alchemistischer Übersetzer zwischen Naturwissenschaft und gesellschaftlicher Utopie. An anderen – seien wir ehrlich – ist man vor allem: Problemlöser, Verwalter, Notfallkoordinator. Wobei das nie langweilig ist. Oder selten jedenfalls.
Kommen wir zum, für viele, spannenden Teil: Was springt dabei eigentlich heraus? In Berlin kann das durchaus schwanken. Der Arbeitsmarkt ist ein Flickenteppich. Große Chemieunternehmen gibt es, aber Innovationen kommen immer öfter aus kleineren Technologie-Ablegern oder interdisziplinären Forschungseinheiten. Wer denkfaul ist, wird es schwer haben – die Berliner Szene verlangt Herz, Verstand und gelegentlich eine Dickfelligkeit, die man anderswo kaum entwickeln muss. Die ersten Jahre nach dem Einstieg sind oft geprägt von Projektverträgen, Drittmittelforschung und dem beglückenden Gefühl, mit einem Bein zwischen akademischer Exzellenz und wirtschaftlichem Pragmatismus zu stehen. Aber: Die Einstiegsgehälter variieren – 3.000 € bis 3.700 € sind im universitären Umfeld typisch, wobei die Industrie meist darüber liegt; realistisch sind dort auch 4.000 € bis 4.500 €. Nach oben? Es gibt Luft, keine Frage, aber selten ohne Zusatzverantwortung oder Ausflug ins Management. Was viele unterschätzen: Berlin ist im Branchenvergleich tendenziell progressiv, aber nicht zwingend spendabel. Wissen hilft, Erwartungen zu justieren – Illusionen schaden mehr.
Polymerchemie in Berlin ist selten linear. Wer nach Standardabläufen sucht, kann genauso gut jeden Morgen dieselbe S-Bahn nehmen und sich wundern, warum sie trotzdem ständig verspätet ist. Vielmehr erlebte ich, dass die Projekte von heute sich morgen längst überholt haben: Heute die Optimierung mikrostrukturierter Membranen für die Wasseraufbereitung, morgen die Entwicklung nachhaltiger Epoxidharze für einen Tierbedarfshändler aus Spandau. Regional? Berlin gibt dem Job ein eigenes Tempo, manchmal eine Leichtigkeit, die fasziniert – manchmal eine Frustration, die, zugegebenermaßen, den Kaffeekonsum auf ungesunde Höhen treibt. Keine Frage: Wer Routine sucht, ist hier falsch. Wer Überraschungen mag, der wird sie bekommen. Das kann man schönfinden. Oder auch nicht – je nach Tagesform.
Bleibt noch: Wie entwickelt man sich weiter, ohne sich im Berliner Labyrinth zu verirren? Viel mehr als ein Seminarplan oder ein „Kurs auf Polymerphysik“ ist gefragt – gefordert ist Neugier, interdisziplinäres Herz und gelegentlicher Mut zum Expertenwechsel. Die Stadt selbst ist ein Schmelztiegel neuer Nachhaltigkeitsimpulse, die Arbeit wird dadurch aber oft komplexer, nicht einfacher. Fragen nach neuen biobasierten Kunststoffen treiben nicht nur die Universitäten, sondern auch immer mehr mittelständische Auftraggeber um. Weiterbilden? Ja, unbedingt – aber nie als Pflichtprogramm, sondern eher als ständiges Update, ein bisschen wie die Hauptstadt selbst: ständig unfertig, nie langweilig. Und manchmal fragt man sich, ob das Chaos nicht Teil des Charmes ist. Vielleicht ist es das – zumindest für Polymerchemiker in Berlin.
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