Forschungszentrum Jülich GmbH | 52428 Jülich
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Infineon Technologies AG | 59581 Warstein
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Die Entscheidung, als Ingenieur in der Nanotechnologie mitten im Ruhrgebiet – genauer: in Dortmund – Fuß zu fassen, hat etwas von einem organischen Experiment. Man weiß anfangs weder, wie sich die einzelnen Moleküle der Arbeitsrealität neu anordnen noch, ob wirklich alles so reibungslos reagiert, wie es auf den Seminarkarten skizziert wurde. Nanotechnologie – das klingt nach Hochglanzlabor, nach Visionen vom Quanten-Chip, doch die Praxis ist weit vielschichtiger. Jedenfalls hier in Dortmund, wo Wissenschaftstradition auf rauen Alltag trifft. Wer neu einsteigt oder sich aus einer anderen Profession wagt, erlebt das ziemlich unmittelbar.
Für die meisten beginnt der Alltag zwischen Universität, Anwendungszentrum und mittelständischer Industrie. Die einen tüfteln an Beschichtungen, die auf Nanoebene Wunderdinge leisten sollen, die anderen testen Materialien, die später in E-Autos oder Energiespeichern ihre unsichtbare Arbeit verrichten. Eigentlich habe ich es nie erlebt, dass sich Aufgaben sauber abgrenzen lassen – morgen ist man Spezialist für Rasterkraftmikroskopie, übermorgen wird eine Festkörperbatterie zerlegt (nicht immer freiwillig). Die Neugier auf Neues gehört in Dortmund zum Professionellen fast wie der geliebte Kaffee vor dem Experimentierstart; bloß: Routine gibt's selten.
Auffällig übrigens: Wer hier als Absolvent aufschlägt, genießt zwar den guten Ruf der lokalen Hochschulen (Technische Uni Dortmund, anyone?), steht aber schnell unter Zugzwang. Die Industrie – Autozulieferer, Chemie, Umwelt-Start-ups – fordert anwendungsreife Lösungen. Zugleich kursiert immer wieder die leise Ironie, dass echte Nanotechnik außerhalb von Forschungslaboren gern als „irgendwie Chemie, nur kleiner“ abgetan wird. Wer zu viel Innovation predigt, merkt rasch: Manchmal blockiert das Altbewährte. Ein Spagat, den man lernen muss.
Ich werde oft gefragt, wie die Chancen vor Ort stehen. Die ehrliche Antwort: Wer flexibel denkt und bereit ist, sich fachlich zu verzweigen – in angrenzende Felder wie Photonik, Medizintechnik oder Werkstoffentwicklung –, findet hier durchaus ein Sprungbrett. Was viele nicht auf dem Schirm haben: Viele mittelständische Unternehmen sind für Quereinsteiger offener, als es nach außen wirkt. Die andere Seite? Echt planbare Dauerstellen mit klassischer Arbeitsplatzsicherheit sind seltener geworden. Zeitverträge prägen Alltag und Nerven – das muss man wegstecken können.
Das Gehaltsniveau ist dabei eine eigene Geschichte: Für Anfänger bewegen sich die Einstiegsgehälter – je nach Branche und persönlichem Verhandlungsgeschick – oft zwischen 3.100 € und 3.600 €. Nach ein paar Jahren Praxis, einem guten Netzwerk (zwischen Kantinengesprächen und Laborbandsalat entstehen hier manchmal neue Firmen), sind 3.800 € bis 5.000 € durchaus realistisch. Aber stabil gesichert ist wenig – jedes Förderprojekt, jede neue Gründungswelle bedeutet in der Region auch: Unsicherheit oder Neuerfindung. Will heißen, die eigenen Antennen müssen stets wachsam bleiben.
Unterschätzt wird gern, wie breit das fachliche Spektrum wirklich ist. Die Vorstellung, als Nanotechnologie-Ingenieur drehe sich alles um Physik oder reine Chemie, hält höchstens bis zum ersten interdisziplinären Meeting. Informatik? Unvermeidlich. Prozessoptimierung? Auf dem Schreibtisch gelandet, bevor man den letzten Ringversuch abgeschlossen hat. Und zwischen all dem: internationale Teams aus unterschiedlichsten Fachkulturen – gelegentlich auch schräge Humorlagen und ruppige Diskussionsstile. Ehrlich, manchmal sind es gerade diese Differenzen, die am meisten voranbringen. Jedenfalls mehr als die zehnte FMEA-Runde zum Thema Siliziumcontaminanten.
Nicht unterschlagen sollte man die Weiterbildungslandschaft. Die Hochschulen bieten zwar Zertifikatskurse und vertiefende Schwerpunkte, aber fast wichtiger: Viele Betriebe kooperieren mit regionalen Bildungsanbietern, sodass man noch im Job an Themen wie Nanomedizin oder nachhaltige Fertigungsmethoden andocken kann. Wer sich sukzessive in Nischen einarbeitet, wird bemerkenswert schnell zum Spezialisten für Problemlagen, von denen andere Kolleg:innen nicht mal wussten, dass sie existieren. Paradox? Klar. Aber willkommen in Dortmund.
Gelegentlich frage ich mich, ob die Euphorie rund um den Begriff „Nanotechnologie“ nicht zu oft überhöht wurde. Am Ende zählt für die Unternehmen – und ehrlich gesagt auch für die meisten Teamkollegen – die Lösung, nicht die romantische Forschungsidee. Wer mit dieser Nüchternheit zum Beruf antritt, findet in Dortmund ein erstaunlich unprätentiöses Arbeitsumfeld. Innovation wird geschätzt, Ideale werden toleriert; daneben braucht es aber eine Portion Widerstandsfähigkeit (emotional, fachlich, manchmal auch menschlich).
Ist das alles ein gerader Weg? Mitnichten. Vielmehr: Zufall, Begeisterung, Routine und Frust bilden ein Amalgam. Genau daraus entstehen aber Karrieren, die später oft sehr viel mehr mitgestalten als nur winzige Strukturen unter dem Elektronenmikroskop. So gesehen: Wer es wagt, zwischen industrieller Bodenständigkeit und akademischem Innovationsdruck den eigenen Platz zu finden, hat in Dortmund als Ingenieur für Nanotechnologie vielleicht mehr Gestaltungsspielraum, als es der Nano-Maßstab vermuten lässt.
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