Forschungszentrum Jülich GmbH | 52428 Jülich
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Wer in Bonn als Ingenieurin oder Ingenieur für Nanotechnologie aufschlägt, ahnt oft nicht, in welch eigentümliches Feld er oder sie eintaucht. Zwischen Basilika, Bundesviertel und Rheinauen wächst ein berufliches Biotop heran, das den Großen der Wissenschaft erstaunlich nahekommt, aber im Alltag seltsam unsichtbar bleibt. Ich muss zugeben: Selbst mit einer gewissen Technikaffinität stolpert man nicht einfach so in diese Branche hinein. Vielmehr ist es, als müsse man zuerst seine eigenen Denkgewohnheiten auf Nanoformat komprimieren, bevor hier irgendetwas gelingt. Klingt abgehoben? Mag sein. Doch gerade diese Verschiebung des Maßstabs ist in Bonn keine leere Floskel, sondern tägliche Realität in Laboren, Reinräumen und den verqueren Korridoren universitärer Institute.
Viele von uns – egal ob auf dem Sprung ins Berufsleben oder auf der Suche nach einer fachlichen Auffrischung – hangeln sich an denselben Fragen entlang: Finde ich in Bonn überhaupt die passenden Arbeitgeber? Kurze Antwort: Ja, aber meist anders als gedacht. Die großen Namen? Max-Planck, Fraunhofer, das Forschungszentrum ca. 30 Minuten die A565 runter. Aber gerade im direkten Stadtgebiet überraschen die mittelständischen Innovatoren, die ihre Spin-offs aus der Universität heraus nahezu im Verborgenen großziehen. Es gibt Labore, deren Namen selbst bei den Nachbarn kaum jemand kennt. Drinnen aber entstehen Sensoriklösungen aus Graphen, biomedizinische Implantate oder filigrane umwelttechnische Komponenten, die im besten Fall erst in 20 Jahren als Standard gelten.
Wer hier einsteigt, steht selten knietief im klassischen Projektmanagement oder träger Prozessoptimierung. Alltagslogik? Meistens ausgehebelt. Eine Woche Zellenbeschichtungen, dann wieder die Tücken molekularer Oberflächen – dann das endlose Warten auf ein verpatztes Versuchsergebnis. Was viele unterschätzen: Der praktische Alltag verlangt eine ungewöhnliche Mischung aus Beharrlichkeit, geradezu trotzigem Detailinteresse und der Bereitschaft, Fehler mit einer gewissen Gelassenheit zu akzeptieren. Nein, das entsteht nicht aus der Komfortzone. Eher aus dem Nebeneinander von Hightech-Infrastruktur und den chaotischen Grenzen alltäglicher Forschung. Viel Routine? Kaum. Dafür aber die Freude, wenn plötzlich ein Rasterelektronenmikroskop „übers Ziel hinausschießt“ und Kollegen um einen Bildschirm schart, als würde der Dom in Köln wackeln.
Natürlich: Mit idealisierten Vorstellungen von der „Revolution der Zukunft“ kommt man im Bonner Alltag von Ingenieuren für Nanotechnologie nicht weit. Zu viele technische Sackgassen, zu wenig Sichtbarkeit im Stadtbild, gelegentlich sogar ein Hauch von mühseliger Eigenbrödelei. Und was ist mit dem Gehalt? Wer ehrlich ist, merkt schnell – zwischen Überakademisierung und industriellem Pragmatismus klafft in Bonn eine gewisse Lücke. Erfahrungsabhängige Bandbreiten zwischen 3.800 € und 5.200 € sind im direkten wissenschaftlichen Umfeld keine Seltenheit. Wer in die privatwirtschaftlichen Tochterfirmen oder Hightech-Start-ups abzweigt, kann mit guter Vernetzung und Fachexpertise sogar die Marke von 6.000 € knacken. Aber: Die Extrameile wird hier selten vermessen, sondern als selbstverständlich vorausgesetzt. Sich darauf einzulassen, ist mehr Lebensentscheidung als bloße Gehaltsstrategie.
Was viele von außen nicht sehen: Bonn entwickelt sich, langsam aber bestimmt, zu einem ihrer verhältnismäßig spannendsten deutschen Standorte für angewandte Nanotechnologie (ja, auch abseits der Glanzlichter in Aachen, Dresden oder München). Warum? Jenseits der großen Industriemaschinenfabriken gibt es hier einen verblüffenden Technologie-Charakter, der Schnittstellen schafft: zwischen Biomedizinern und Kunststofftechnikern, zwischen Umweltforschern und sensorgetriebenen Start-ups. Wer als Berufseinsteigerin den Mut hat, sich in dieses kleinmaßstäbliche Dickicht zu wagen, entdeckt nicht nur Jobprofile mit erstaunlichem Entwicklungspotenzial, sondern vor allem: die Chance, bei der nächsten kleinen oder großen Wende dabei zu sein, noch bevor die ganz große Aufmerksamkeit einsetzt.
Manchmal sitze ich an einem höhenverstellbaren Labortisch in Poppelsdorf und frage mich, was der eigentliche Antrieb ist, sich Tag für Tag in die Welt der Nanotechnologie zu verbeißen. Ruhm? Nun ja. Sichtbarkeit? Eher nicht, zumindest nicht am Anfang. Aber das Gefühl, mit einigen Gleichgesinnten einen technischen Möglichkeitsraum zu öffnen, der anderswo kaum denkbar wäre – das hat schon seinen eigenen Reiz. Auch (und gerade) in Bonn.
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