Freie Waldorfschule Halle e.V. | Halle
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Manchmal frage ich mich, ob irgendjemand so ganz nüchtern erfassen kann, was den Beruf als Grundschullehrerin – oder Grundschullehrer – heutzutage wirklich bedeutet. Gerade in einer Stadt wie Magdeburg, wo sich an jeder Ecke das Nebeneinander von Alt und Neu bemerkbar macht, bekommt dieser scheinbar „klassische“ Job eine ganz eigentümliche Farbe. Wer frisch einsteigt oder sich aus anderen pädagogischen Feldern in die Grundschule wagt, merkt schnell: Hier trifft Theorie auf das unbeherrschbare Leben. Und oft kriegt der Alltag die Oberhand – aber mit einer Entschiedenheit, die einen ziemlich wachrüttelt.
Magdeburg – nicht zu klein, nicht zu groß, mit dem Charakter einer Stadt, die irgendwie nie ganz fertig wird. Auch das spiegelt den Schulalltag wider. Kindergesichter aus unterschiedlichsten sozialen und kulturellen Hintergründen prägen das Bild in den Klassenzimmern, Tendenz steigend. Der Umbruch ist längst Realität: Plötzlich sitzen in einer Klasse Kinder aus bildungsnahen Haushalten neben solchen, für die Deutsch die dritte Sprache ist. Förderbedarf? Noch so ein Thema. Die Stadt kämpft an mehreren Fronten: Einerseits wächst der Anspruch, allen gerecht zu werden, andererseits fehlen an manchen Schulen die Ressourcen. Besonders Berufseinsteiger spüren diese Spannung. Einmal tief durchatmen – und dann improvisieren, begleiten, auffangen.
Papierformuliert klingt das Aufgabenfeld fast zu brav: Vermittlung von Grundkompetenzen, soziale Entwicklung fördern, Zusammenarbeit mit Eltern. Tatsache aber ist, dass die Rolle längst über Unterricht hinausgeht. Ich ertappe mich regelmäßig in Situationen, wo vom Konfliktmanager bis zum Techniklotse alles gefragt wird – und zwar oft gleichzeitig. Digitalisierung in Magdeburger Grundschulen? Kommt, langsam, aber sie kommt. Zwischen Whiteboard-Pannen und Tablet-Klassen finden sich engagierte Kolleginnen, die für jedes Malheur einen Plan B (und manchmal auch einen Plan C) brauchen. Schönreden? Hilft nicht. Die Dynamik im Klassenraum kann einen rasch überfordern, wenn man nicht lernt, sich selbst Pausen und pragmatische Lösungen zuzugestehen. Ist das anstrengend? Aber ja! Aber eben auch ungemein befriedigend, wenn ein Kind irgendwann plötzlich vorliest, als hätte es nie etwas anderes getan.
Nun zum Punkt, dem alle früher oder später begegnen: Das Gehalt. In Sachsen-Anhalt, also auch in Magdeburg, startet man als Grundschullehrer im Durchschnitt zwischen 3.300 € und 3.900 €, es kann mit den Jahren (oder den zig notwendigen Fortbildungen) auch Richtung 4.500 € wandern. Nicht üppig, aber für die Region solide – zumindest im Vergleich zur freien Wirtschaft. Klingt nach gemütlichem Mittelmaß? Naja, vielleicht. Aber: Der Beruf bringt eine gesellschaftliche Wertigkeit, die sich nicht eins zu eins in Zahlen pressen lässt. Wer meint, es handle sich „nur“ um ein bisschen Lesen, Schreiben, Rechnen beibringen – Moment, das wäre etwa so, als würde man einen Sternekoch als Suppenkasper abstempeln. Hier liegt der Hund begraben: Es geht um die Grundlage fast aller späteren Bildungsbiografien – und die baut man eben nicht mal eben so im Vorbeigehen.
Zugegeben: Wer Beständigkeit sucht, hat in Magdeburger Grundschulen durchaus Chancen. Der Personalmangel bringt allerdings eine paradoxe Seite: Gestaltungsspielraum. Ob Ganztagsmodelle, Sprachförderprojekte oder technische Pilotklassen – Vieles kann, nichts muss. Für Berufsumsteiger oder engagierte Neulinge ergeben sich Möglichkeiten, die Struktur der Schule aktiv mitzuprägen. Es ist keine Zumutung, sondern fast schon eine Einladung, eigene Ideen und Spezialgebiete einzubringen – wenn man bereit ist, Verantwortung zu übernehmen und gelegentlich mit Stolpersteinen zu tanzen. Und manchmal – das bleibt die beste Seite – sorgen die Kinder ganz von allein dafür, dass jeder Tag einen neuen Dreh bekommt. Routine? Geschenkt. Wer das will, muss wohl woanders suchen.
Ist der Beruf Grundschullehrer in Magdeburg eine gelassene Angelegenheit für nervenstarke Realisten – oder das Abenteuer, das unterschätzt wird? Vielleicht ein bisschen von beidem. Man landet auf jeden Fall nicht im sterilen Elfenbeinturm, sondern am Puls gesellschaftlicher Entwicklung. Wer die Herausforderung sucht, findet sie – und mit etwas Humor manchmal auch den einen oder anderen Lichtblick im alltäglichen Trubel.
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