Stadt Dortmund | 44135 Dortmund
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Academics | 30159 Hannover
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Ich weiß noch, wie ich meinen ersten Tag als Friedhofsgärtner zwischen knarzenden Grabsteinen verbracht habe. Die Kollegen sagten, irgendwann wird man sanft im Takt der Jahreszeiten arbeiten, als hätte man das Schritttempo der Erinnerung selbst übernommen. Stimmt vielleicht. Und: Es ist mehr als nur das Bepflanzen irgendwelcher Beete. Wer in Bielefeld diesen Beruf wählt, der entscheidet sich – klingt pathetisch, ist aber so – für eine Arbeit, die irgendwo zwischen Gartenkultur, Pietät und lebendiger Gestaltung angesiedelt ist.
Was macht den Beruf als Friedhofsgärtner gerade in unserer Region so speziell? Wer schon mal zur Mittagszeit an einem der Bielefelder Großfriedhöfe stand, wird es gespürt haben: Hier ticken die Uhren anders. Da wird nicht nur angepackt, sondern auch zugehört – vor allem, wenn Angehörige Verstorbener Wünsche äußern, die irgendwo zwischen klassisch und extravagant pendeln. Klar, Tannenbäume in Reih und Glied sind selten geworden. Was heute zählt, ist Individualität: Bepflanzung im Wechselspiel der Jahreszeiten, intime Gestaltung kleiner Erinnerungsorte. Das alles verlangt Feingefühl und Fingerspitzengefühl, nicht nur bei der Pflanzenwahl.
Jetzt aber mal nüchtern. Die Arbeit ist körperlich fordernd. Wer Rücken hat, wird es merken – und wer’s ignoriert, kriegt’s doppelt zurück. Fast täglich Erde unter den Nägeln, feuchtes Laub im Nacken, und wenn’s regnet auch mal patschnaß. Trotzdem: Die Aussicht, am Ende des Tages zu sehen, was mit den eigenen Händen entstanden ist – das entschädigt für ziemlich viel. Hinzu kommt, dass in Bielefeld in den letzten Jahren neue Techniken einziehen. Rasenmähroboter, Tropfbewässerung, Beetplanung mit Tablets – klingt fast nach Hightech-Gartenbau, oder? Ist auch so. Vor zehn Jahren hätte ich gelacht, heute ist’s Alltag.
Was viele unterschätzen: Der Umgang mit Trauernden gehört fest zum Beruf. Wer das nur als lästige Nebensache sieht, sollte besser umschulen. Es sind stille Gespräche am Grab, kleine Rituale, das Festhalten an Tradition – oft ist man der letzte „unsichtbare“ Begleiter, der für ein Stück Würde sorgt. Gerade weil in Bielefeld die Zahl individueller Grabgestaltungen wächst, hat sich das Anforderungsprofil verschoben: Pflanzenkenntnis reicht längst nicht. Ein Händchen für gestaltende Details, Praxiserfahrung bei Bodenvorbereitung und Pflanzplanung, Geduld im Umgang mit Menschen – das wiegt mindestens genauso schwer. Und Flexibilität sowieso, denn Friedhof ist nicht gleich Friedhof. Von parkähnlichen Anlagen wie in Senne bis zu alten Dorfkirchhöfen: Jeder Standort bringt seine Eigenheiten, seine Geschichte und mitunter auch seine eingefleischten „Urgesteine“ im Kollegenkreis mit.
Und der schnöde Mammon? Auch nicht ganz unwichtig. Einstiegsgehälter bewegen sich in Bielefeld meist zwischen 2.300 € und 2.600 €. Wer Berufserfahrung, Zusatzqualifikationen oder gar die Meisterprüfung mitbringt, kann mit 2.800 € bis 3.200 € rechnen – Ausreißer nach oben gibt’s selten, aber die Luft nach unten ist, ehrlich gesagt, auch dünn. Dem gegenüber stehen jedoch planbare Arbeitszeiten, recht sichere Beschäftigungsverhältnisse (da sterben hier so schnell weder Arbeitsplätze noch Menschen aus, so makaber das klingt), und die Möglichkeit, eigene Ideen einzubringen. Viele Betriebe honorieren Engagement – kleine Boni, ein Dankeschön, gelegentlich auch ein warmes Mittagessen. Viel direkter als in mancher Großgärtnerei wohlgemerkt.
Weiterbildung? Wird in der Region aktiver beworben als noch vor ein paar Jahren. Die beiden Bielefelder Gartenbauvereine bieten Kurse – Schwerpunkt: nachhaltige Bepflanzung, Biodiversität auf Friedhöfen, Umgang mit digitalen Planungstools. Wer anpackt, dem öffnen sich tatsächlich neue Türen. Und mancher Kollege hat irgendwann den Schritt in eine verantwortungsvollere Position gemacht – runter vom Spaten, ran an die Disposition. Ist das für jeden was? Sicher nicht. Aber: Wer sich für Erde, Wandel und Erinnerung begeistern kann, wird in Bielefeld sein Auskommen und – mit ein bisschen Eigeninitiative – sogar ein kleines Fach-Refugium finden. Einfach schön, wenn ein altes Handwerk mit neuen Ideen blühen kann. Bielefeld ist da vielleicht kein leuchtendes Paradebeispiel, aber solide, bodenständig, freundlicher als das Image oft vermuten lässt. Und im Spätsommer, wenn der Tau noch über dem Rasen liegt und das Sonnenlicht die Marmorsteine streichelt – dann weiß man, warum man’s macht. Oder zumindest fast.
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