Blumen Türpitz | Garmisch-Partenkirchen
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Blumen Türpitz | Garmisch-Partenkirchen
Wer nach Augsburg zieht – oder schon immer hier verwurzelt ist, wie die meisten, die ich in den Gärtnereien kennengelernt habe –, denkt beim Wort „Friedhofsgärtner“ oft an Ruhe, Routine, vielleicht ein bisschen Staub. Eine Klischeevorstellung, so alt wie der Perlzwiebelkranz zur Allerheiligenzeit. Ich habe in den letzten Jahren genug erlebt, um sagen zu können: Wer sich diesen Job aussucht, entscheidet sich für eine Arbeit, die mehr zwischen Himmel und Erde steckt, als mancher Gärtner am ersten Tag ahnt. Und – auch das gehört dazu – für eine Rolle, die gerade in Augsburg einiges mehr verlangt als nur grünen Daumen und festen Rücken.
Man lebt mit dem Kreislauf der Natur. Klingt pathetisch? Mag sein. Aber jeder Tag beginnt neu, und der Boden gibt erst dann nach, wenn man gelernt hat, ihn zu lesen – sandig oder lehmig, feucht oder hartnäckig und immer voller Überraschungen. Da ist nicht nur das klassische Bepflanzen, sondern auch das Krampfende: Unkraut jäten im Dauerregen, Grabstätten pflegen bei 34 Grad, meterweise Kränze binden, wenn im Herbst die Beisetzungswelle losbricht. Die Friedhöfe in Augsburg haben Tradition, aber die Arbeitsmethoden? Sind heute längst ein anderes Spiel als noch vor zehn Jahren. Moderne Maschinen nehmen das Gröbste, digitale Pflanzpläne und Bewässerungssysteme gehören in vielen Betrieben längst dazu. Ohne Technikverständnis bleibt man außen vor – und mit gelegentlicher Muskelkater-Lustigkeit sowieso am Ball.
Es gibt dieses Gerücht: Einer Friedhofsgärtnerin winken Reichtümer, weil niemand’s machen will. Stimmt natürlich nicht, zumindest nicht in Augsburg. Einstiegsgehälter rangieren meist zwischen 2.400 € und 2.800 € pro Monat – je nach Betrieb, Tarifbindung und Saisonarbeit (ja, die gibt’s im Winter öfter mal dazu). Wer zur Meisterprüfung antritt, kann auf 3.000 € bis 3.600 € hoffen. Das ist solide, mehr aber auch nicht. Aber – und das ist kein Beiwerk – viele bleiben dennoch, weil diese Arbeit etwas zurückgibt, das sich schwer auf Lohnabrechnungen ausdrücken lässt: Das Wissen, dass jede gepflegte Grabstätte, jedes Schattenbeet, das im Sommer nicht verdorrt, mehr ist als ein Stück gepflegter Boden. Es ist ein Statement gegen das große Vergessen.
Friedhöfe in Augsburg unterscheiden sich von denen in anderen Teilen Deutschlands – eigenwillig, traditionell, aber auch offen für Wandel. Wer das Privileg hat, auf dem Westfriedhof zu arbeiten, begegnet nicht nur dem sprichwörtlichen Augsburger Schutzengelbunt, sondern auch Ansprüchen von Familien, die mit Erinnerungen und Erwartungen kommen. Multikulturelle Grabstätten, Umweltaspekte (inzwischen wird über Moosrasen und Insektenblühstreifen mehr diskutiert als je zuvor) – und natürlich der Kostendruck städtischer Verwaltungen: All das kriegt man ab, ob man will oder nicht. Es ist ein Mikrokosmos aus Geschichte, hoher Emotionalität und schnörkelloser Pragmatik. Einfach ist das nicht, aber selten langweilig.
Manchmal fragt man sich nach Feierabend: Lohnt sich dieses ewige Anpassen? Wächst man nicht irgendwann in den Trott? Und dann steht man im Frühnebel am Moritzplatz-Friedhof, das Gras feucht, der Kopf voller Gedanken, und sieht, wie ein Angehöriger stumm ein schlichtes Gesteck niederlegt. Da spürt selbst der abgebrühte Profi, was diesen Beruf im Kern ausmacht: eine Mischung aus Handwerk, Verantwortung und Feingefühl, die man in keiner Stellenbeschreibung nachlesen kann. Wer sich darauf einlässt, findet in Augsburg mehr als einen Arbeitsplatz. An manchen Tagen – zwischen Grabtafel und Gießkanne – vielleicht so was wie einen Platz im Leben. Oder, naja, zumindest ein bisschen mehr als bloß einen Job mit Gummistiefeln.
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