Blumen Türpitz | Garmisch-Partenkirchen
- Relevanz
- Titeltreffer
- Datum
Blumen Türpitz | Garmisch-Partenkirchen
Eins gleich vorweg: Wer in München ans Friedhofsgärtnern denkt – der assoziiert selten glamouröse Stadtleben-Momente oder Szenen aus Hochglanzbroschüren. Friedhofsgartenbau ist, zumindest für mich, eher ein Beruf, den man ergreift, wenn es einen aus echtem Interesse dorthin zieht – oder nachdem einen der Lauf der Dinge an genau diesen Punkt gespült hat. Und doch: Gerade in einer Stadt wie München entwickeln die Friedhofsanlagen eine stille Kraft, fast so etwas wie unsichtbare Knotenpunkte im lärmenden Alltagsgeflecht. Hier arbeiten Menschen, die nicht nur Blumen setzen, sondern jeden Tag Verantwortung für einen besonderen Raum übernehmen.
Friedhofsgärtnern ist – wie ich rasch feststellen musste – alles andere als routinierte Beeterde-Schipperei. Klar, fachliche Basics wie Bodenvorbereitung, Pflanzenschutz oder saisonale Neugestaltung gehören zum täglichen Geschäft. Aber da ist noch mehr. In München, dem Schmelztiegel aus historischem Ballast und gärtnerischer Experimentierlust, trifft man auf uralte Grabsteine, die eine vorsichtige Hand fordern, auf wechselnde Familien, für die das Grab mehr Trostort als Ort des Stolzes ist, und auf Kollegen aus unterschiedlichsten Kulturkreisen, die ihre eigenen Vorstellungen übers rechte Maß an Ordnung ins Spiel bringen. Wer glaubt, das sei alles Genügsamkeit und Grablampe polieren, hat nicht gesehen, wie man sich bei dreißig Grad im Schatten über knorrige Rosenbüsche beugt – und dann doch wieder freundlich jenen Passanten den Weg zum Grab der Tante erklärt, freundlich, obwohl der eigene Rücken längst knirscht.
Und die Sache mit dem Einkommen? In München – wo ein belegtes Brötchen so viel kostet wie andernorts ’ne warme Mahlzeit – liegt der Lohn für Berufseinsteiger in aller Regel zwischen 2.600 € und 2.900 €. Zugegeben: Für einen Bauberuf in Deutschlands teuerster Stadt klingt das erstmal überschaubar. Aber unterschätzen sollte man nicht, wie stabil die Nachfrage nach Grabpflege und Dauergrabgestaltung gerade in einer alternden, vielfach verwurzelten Stadt wie München geblieben ist. Totgesagte leben länger – auch als Beruf. Wer Weiterbildungen, etwa zur Fachkraft für Grabmalpflege oder gar Meistertitel investiert, kann mit 3.200 € bis hin zu 3.700 € durchaus kalkulieren. Reich wird niemand – aber armutsgefährdet, wie es manchmal verdreht wird, ist der Beruf selten. Wer sich mit Saisonspitzen, Wetterlaunen und feinen Handbewegungen anfreunden kann, baut sich durchaus eine solide Nische.
Was viele unterschätzen: Friedhofsgartenbau in München balanciert heute zwischen ganz alten Gewissheiten und neuen Erwartungen. Digitalisierung? Ja, aber mit gebremstem Schaum. Automatisierte Bewässerung kommt langsam, neue Maschinen erleichtern die Pflege, doch der eigentliche Wandel findet leiser statt. Grabformen verändern sich, Familien werden internationaler, Einäscherungen nehmen zu, das klassische Dauergrab steht nicht mehr allein. Wer die Sprache der Hinterbliebenen spricht – und das meine ich im weitesten Sinne – kann hier fast schon Dolmetscherdienste leisten. Mir fällt oft auf, dass Gärtnerinnen und Gärtner heute auf unerwartet intime Fragen vorbereitet sein müssen. Ob eine bestimmte Pflanze „schicksalsfest“ ist oder ein Grabmal den neuen ökologischen Auflagen genügt – plötzlich wird aus dem Handwerker ein Berater, ja fast ein kultureller Dienstleister am Rande der Münchner Gesellschaft.
Ich sage es offen: Einfach ist es nicht immer. Wer körperliche Arbeit scheut oder einen Nine-to-five-Job erwartet, landet schnell auf dem Holzweg. Aber München bietet einen echten Vorteil: Die Friedhofsgartenbaubetriebe sind in der Regel solide aufgestellt, meist familiengeführt, eingebettet in ein gewachsenes Netz aus Steinmetzen, Floristinnen, Kommunalverwaltungen. Weiterbildungsangebote gibt es – mal als Kurs am Wochenende, mal als Lehrgang. Was mich persönlich überrascht hat: Je tiefer man einsteigt, desto mehr Wertschätzung erhält man, oft von den leisesten Kunden. Gegen das Klischee, Friedhofsgärtner sei ein Beruf am Rand der Gesellschaft, hilft allerdings nur eins: Alltagsstolz. Den sollte man mitbringen oder entwickeln – wie eine Art unsichtbare Rüstung gegen die sprichwörtlichen Wetterumschwünge. Oder, frei nach Münchner Manier: Lebendig sein, wo andere still gedenken.
Das könnte Sie auch interessieren