DIPLOMA Hochschule – bundesweit | Bad Sooden-Allendorf
- Relevanz
- Titeltreffer
- Datum
bib International College | 33098 Paderborn
bib International College | 33098 Paderborn
Sparkasse Werra-Meißner | 37269 Eschwege
DIPLOMA Hochschule – bundesweit | Bad Sooden-Allendorf
bib International College | 33098 Paderborn
bib International College | 33098 Paderborn
Sparkasse Werra-Meißner | 37269 Eschwege
Manchmal frage ich mich, ob Kassel sich seiner Gegensätze wirklich bewusst ist. Einerseits diese satte, leise Mittelstadt in der nordhessischen Landschaft, wo das Leben selten aus den Fugen gerät. Andererseits die periodisch aufbrandende Kunst-Explosion mit der documenta, die alle paar Jahre alles auf links dreht – und mittendrin: wir, die Fotografen. Die Mischung ist, na ja, ungewöhnlich. Vielleicht sogar ziemlich eigen. Womöglich ist Kassel deshalb für Fotografieberufe so reizvoll – und gleichzeitig nervenaufreibend wie ein schlecht belichteter Mittelformatfilm.
Wer sich auf den Beruf des Fotografen hier einlässt, merkt rasch: Es ist viel mehr als Bild und Kamera. Das Denken geht ständig hin und her – zwischen pragmatischem Handwerk und dem Wunsch, aus jeder Aufnahme etwas Besonderes zu machen. In Kassel, mit seiner Mischung aus Industrie, Wissenschaft und Kunstszene, begegnet einem dazu eine bemerkenswerte Kundschaft: Einmal dokumentierst du technische Lösungen für einen Maschinenbauer am Sandershäuser Berg. Am nächsten Tag bist du auf dem Campus und porträtierst ambitionierte Jungdesigner oder dokumentierst ein Kulturprojekt in Rothenditmold, bei dem der Staub aus der Werkstatt in der Luft hängt. Keine Routine – jedenfalls nicht, wenn man weiterkommen will. Klingt aufregend? Ist es, solange man flexibel bleibt und sich auf neue Motive einlässt, auch wenn die Gage manchmal „atemberaubend“ bodenständig wirkt.
Jobsicherheit ist ziemlich relativ. Kassel ist nicht Berlin, keine Spielwiese für Agenturhippies oder Modefotografen mit Hang zur Selbstdarstellung. Die Zahl echter, fester Stellen ist überschaubar; viele Fotografen arbeiten selbstständig oder projektbasiert für Agenturen, Unternehmen, Redaktionen oder öffentliche Einrichtungen. Das klingt nach Freiheit – die berühmte Unabhängigkeit –, bringt aber eine recht bodenständige Herausforderung mit sich: Planung, ein bisschen Kalkül, ein bisschen Glück. In der Praxis heißt das: Wer sich Bezug zu regionalen Firmen erarbeitet, hat einen Trumpf in der Hand. Dass man dabei nicht immer jeden Tag einen künstlerischen Quantensprung fotografiert, sondern auch mal reihenweise Porträtfotos für Firmenausweise produziert, gehört dazu. Ich kenne nur wenige, die sich dem entziehen können.
Wer glaubt, als Fotograf in Kassel komme man noch mit reinem Bauchgefühl durch den Tag, wird spätestens beim Thema „digital workflow“ eines Besseren belehrt. Die Anforderungen sind komplexer geworden: Kunden erwarten technische Perfektion, Bilddatenmanagement, schnelle Bearbeitung, Crossmedia-Kompetenz. Ein flotter Griff in die Kameratasche reicht nicht mehr. Es ist eher so: Du brauchst ein solides Fundament im handwerklichen Bereich – Optik, Belichtung, Nachbearbeitung – aber auch Willen, sich auf neue Softwaretools, Farbmanagement und sogar Videoformate einzulassen. Kassel ist da, aus meiner Sicht, kein Pionierstandort wie Hamburg oder München. Eher ein Ort, wo sich technisches Handwerk und Qualität heimlich Respekt verschaffen, ohne großes Tamtam.
Das große Geld? Eher selten. Viele Einsteiger müssen sich anfangs mit Gehältern zwischen 2.000 € und 2.400 € begnügen – in Festanstellung, wohlgemerkt. Freie Fotografen kalkulieren meist projektbezogen; realistische Monatseinkünfte bewegen sich häufig im Bereich zwischen 2.200 € und 2.800 €, vieles schwankt je nach Auftragslage, Spezialisierung, bisheriger Vita und eben jener berüchtigten Extraportion Vitamin B. Es gibt Ausnahmen, klar, vor allem im Bereich Werbefotografie oder bei Spezialisierungen, die den regionalen Bedarf treffen (Industrie, Architektur, Werbung). Doch die meisten, mit denen ich spreche, nennen ganz offen die typischen Risiken: Auftragsschwankungen, hohe Kosten (Kamera, Software, Weiterbildung) und den anhaltenden Preisdruck durch Laien mit neuen Smartphones. Der Beruf bleibt, so ehrlich muss man sein, ein täglicher Balanceakt zwischen kreativer Freiheit und ökonomischer Erdung.
Ob es hier in Kassel den „richtigen“ Fotografenberuf gibt, wage ich manchmal zu bezweifeln. Es ist eher ein Sammelsurium aus handfestem Fotohandwerk, digitalem Know‑how, Improvisationslust und – ja – gelegentlich einer Prise nordhessischer Sturheit. Einstieg und Wechsel lohnen, wenn man Mut, Flexibilität und Lernbereitschaft mitbringt. Kassel ist kein Laufsteg für Blender, sondern aus meiner Sicht ein Feld für Praktiker mit Biss. Regionalität hilft, aber nicht allein. Wer bereit ist, die kleinen Schatten auszuhalten und trotzdem für das perfekte Bild brennt – der wird hier zwar nicht immer reich, aber doch manchmal ziemlich glücklich.
Das könnte Sie auch interessieren