Media University of Applied Sciences | 50667 Köln
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CHEFS CULINAR West GmbH & Co. KG | 47652 Weeze
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Wuppertal. Nicht die Stadt, die jedem spontan als Medienmetropole einfällt. Keine Glaspaläste, kaum internationaler Trubel, aber eine Medienlandschaft mit überraschenden Facetten. Wer sich mit dem Berufsbild Chefredakteur in Wuppertal beschäftigt – sei es frisch von der Uni, als erfahrene Redakteurin auf dem Sprung oder als Seitenwechsler aus der PR – stößt rasch auf eine Spannung: einerseits das traditionsbehaftete Medium zwischen Schwebebahnrauschen und Industriekultur, andererseits die wild pochende Notwendigkeit, sich ständig neu zu erfinden.
Manchmal frage ich mich, ob der Jobtitel allein schon zum Widerspruch verpflichtet. Auf der einen Seite das Cheffe-Gefühl: Artikelauswahl, Themenplanung, Verantwortung fürs große Ganze. Auf der anderen der gnadenlose Takt digitaler Reichweitenstatistiken, Social-Media-Schlachten, Google-Optimierung. Wer glaubt, Chefredakteur in Wuppertal hieße, jeden Tag mit Stift und Notizbuch durchs Luisenviertel zu schlendern, hat wohl seit Jahren keine Redaktionskonferenz mehr besucht.
Das Handwerkliche ist noch da – Textkritik mit harter Hand, „Das kann so nicht raus!“, kurze Wege zur Faktenüberprüfung, oft selbst. Aber: Die Rolle hat sich verschoben. Heute wird man erwartet, auch im regionalen Mikrokosmos multimedial zu denken. Noch ein Podcast, ein Video-Format, Webseite und App. Und dann sind da die ganz spezifischen Besonderheiten: Wuppertal ist kein Berlin, hier gilt der kurze Draht zu lokalen politischen Köpfen, aber eben auch ein sensibler Riecher für die Stimmungen in den Quartieren. All das geht selten ohne Bauchgefühl und einen Schuss Lokalpatriotismus.
Wer Zahlen liebt, schluckt erst mal trocken: Das durchschnittliche Einstiegsgehalt als Chefredakteur in Wuppertal beginnt oft bei etwa 3.500 € – klar, nach oben offen. Mit Erfahrung und Verantwortung gehen gern mal Werte zwischen 4.200 € und 5.800 € einher. Funktioniert das? Je nachdem, für wen man schreibt, und für welche Mediengattung. Tageszeitungen bewegen sich eher am unteren Rand, große regionale Medienhauser zahlen teils besser – sofern sie sich noch in privater Hand befinden und nicht längst zum Mosaikstein einer Mediengruppe geworden sind.
Was unterschätzt wird: Es ist kein klassischer Angestelltenjob mit kalkulierbarer Taktung. Die tatsächliche Arbeitsbelastung? Man weiß manchen Morgen nicht, ob die schlimmsten Redaktionsprobleme von außen oder von innen kommen. Kostendruck, Personalfluktuation, Technologiewechsel, fehlende Nachwuchskräfte – all das ist längst Alltag. Und während in Düsseldorf oder Köln Headhunter auf Redaktionsleiter schielen, heißt es hier auch mal: „Haben Sie Kapazitäten für zwei Ressorts?“ Die Realität ist ein Hybrid aus Strategie, Improvisation und Mangelverwaltung.
Vielleicht bin ich da altmodisch, aber in Wuppertal zählt Nähe. Nicht nur zu Geschichten, sondern zu Menschen: Es wird erwartet, dass man das Tal kennt, seine Stärken und Schwächen. Wer versucht, Agenturmeldungen für Lokalreportagen zu verkaufen, merkt rasch – das nehmen Wuppertaler nicht übel, sondern persönlich. In kaum einer anderen Stadt wird die Glaubwürdigkeit so sehr am täglichen Umgang mit Bürgern, Vereinen, kleinen Unternehmen gemessen. Der Chefredakteur muss hier Lokalchronist, Netzwerker, manchmal Mediator und gelegentlich Blitzableiter sein – und zwar alles an einem grauen, verregneten Freitag.
Und was keine Statistik je erfasst: Diese Nähe schafft Abhängigkeit – vom Handwerk und vom Wandel. Die Digitalisierung hat selbst kleine Redaktionen erreicht; Social-Media-Kommentare können redaktionelle Debatten binnen Stunden drehen. Aber so viele Algorithmen man auch trainiert: Vorort-Knowhow ist nicht programmierbar. Wer die Stadt, ihre Ecken und Abgründe nicht kennt, bleibt ewig Zaungast.
Was nehme ich als Fazit mit? Wer als Chefredakteur in Wuppertal arbeitet, ist weniger Gatekeeper als Möglichmacher – und wird in den nächsten Jahren wohl noch öfter improvisieren müssen. Das ist kein Nachteil. Im Gegenteil: Die Nischenkompetenz, die Nähe zur lokalen Mentalität, das Allroundertum – das alles sind Garanten dafür, hier auch mit vergleichsweise knappen Ressourcen journalistisch Wirkung zu erzielen.
Natürlich, die Unsicherheiten bleiben: Finanzielle Spielräume, Zukunft der Printprodukte, Nachwuchssorgen, die Anforderungen der Digitalisierung. Und irgendwann fragt man sich dann doch: Ist das alles tragfähig, kann man hier alt werden? Vielleicht nicht im klassischen Sinn. Aber wer komplexe, eigenwillige Reviere mag, eine steile Lernkurve sucht und keine Angst vor Chaos hat – für den ist Chefredakteur in Wuppertal weniger ein Beruf als ein Abenteuer mit Lokalkolorit. Kein Spaziergang – aber genau das macht die Sache aus.
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