medialog GmbH & Co. KG | Baden-Baden
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Media University of Applied Sciences | Frankfurt
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Es gibt Berufe, deren Image schwer zu greifen ist. Der des Chefredakteurs – besonders hier in Mannheim – rangiert irgendwo zwischen Dirigent und Feuerwehrmann, mal Strippenzieher, mal Blitzableiter. Wer als Berufsanfänger:in oder fachliche Quereinsteiger:in darüber nachdenkt, in diese Rolle zu schlüpfen, landet zwischen Tradition und Neuanfang, Spagat und Sprungbrett. Und bitte, vergessen Sie Hochglanzromantik: An der Spitze einer Redaktion geht es längst nicht mehr um reine Themenauswahl oder das letzte Wort beim Titelbild.
Erstmal runtergebrochen: Chefredakteur:innen steuern Inhalt und Richtung eines Mediums, das kann von der regionalen Tageszeitung bis zur Fachzeitschrift reichen, vom Online-Magazin bis zur lokalen Community-Plattform. In Mannheim, dieser Stadt mit dem gewissen Drang, immer ein bisschen querzudenken (und manchmal auch querzusitzen), meint das oft, unterschiedliche Zielgruppen unter einen Hut zu bringen: Jung-Urban versus Verwurzelte, Start-up-Szene versus Traditionsunternehmen, multikulti durchmischt. Manchmal frage ich mich: Wie viele verschiedene Tonlagen kann man in einer Redaktion gleichzeitig fahren, ohne dass die Partitur reißt? Antwort: Mehr als einem lieb ist.
Die klassischen Anforderungen sind anspruchsvoll – journalistische Ausbildung, analytisches Denken, Mitarbeiterführung, Gespür für Menschen und Themen, Medienrecht, Innovationswillen. Schreibtalent ist Grundlage, ja, aber ohne Nervenstärke und digitale Neugier landet man schnell auf dem Abstellgleis. Was viele nicht auf dem Schirm haben: In einer Stadt wie Mannheim, mit ihrer eigenwilligen Kulturszene und Wirtschaft, braucht es ein Sensorium für lokale Zwischentöne, das sich nicht aus Lehrbüchern pauken lässt. Der Chefredakteur von heute jongliert mit Zielgruppenanalysen, Stakeholdern verschiedenster Couleur – und den Launen eines Marktes, der von Tech bis Print alles kann, aber nichts mehr muss.
Übrigens: Wer glaubt, Chefredaktion sei gleichbedeutend mit der endlosen Chefetage und stets frischem Latte Macchiato, wird spätestens im dritten Krisenmeeting eines Besseren belehrt.
Jetzt Tacheles: Die Gehälter sind so divers wie das Medienangebot in der Metropolregion Rhein-Neckar. Einstiegsgehälter für Chefredakteur:innen in mittleren Unternehmen starten oft bei 3.800 € – aber es gibt immer wieder Ausreißer, nach unten wie nach oben. Wer in etablierten Häusern oder reichweitenstarken Online-Medien landet, kann auf 5.500 € bis zu 7.200 € hoffen. Die Bandbreite hat ihren Grund: Es kommt auf das Medium, die Verantwortungsbreite und natürlich auf die persönliche (und manchmal politische) Standing-Power an. Und ja: Wer denkt, Geld regelt alles, unterschätzt die eigentliche Ressource – die Arbeitszeit. Je digitaler, desto fließender werden hier in Mannheim die Grenzen. Ein Redaktionsschluss, der wirklich um 18 Uhr endet? Wunschdenken.
Was Mannheim ausmacht, ist nicht nur der Dialekt – es ist die Lust am Wandel. Die Medienlandschaft spielt hier auf mehreren Bühnen. Einerseits das „Großstadt-im-Kleinformat“-Gefühl, andererseits der Anspruch, immer ein paar Jahre voraus zu denken. Digitalisierung, Diversität und lokalpatriotische Eigenheiten fordern Chefredakteur:innen ständig heraus. Wer sich auf diese Gemengelage einlässt, kann enorm wachsen – fachlich wie persönlich. Ich habe oft das Gefühl, dass gerade hier ein gewisses Improvisationstalent gefordert ist: Neue Formate aufziehen, die Leserschaft immer wieder überraschen, Haltungen vertreten, ohne zur Zielscheibe zu werden. Das mit der dicken Haut ist übrigens kein Spruch, sondern manchmal buchstäblich notwendig.
Wer in Mannheim als Chefredakteur:in startet oder wechselt, sollte Mut zur Unschärfe mitbringen. Klare Rollenerwartungen? Fehlanzeige. Dafür aber: Gelegenheiten, die eigene Handschrift zu hinterlassen, federführend Trends zu setzen, sich zur Stimme einer Stadt voller Widersprüche zu machen. Nicht einfach, klar. Aber in keiner Branche, die ich kenne, trifft Fortschritt so direkt auf Alltag wie hier. Wer Routine sucht, sucht besser woanders.
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