Media University of Applied Sciences | Frankfurt
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Es gibt Jobs, die sich fast im Vorbeigehen erklären lassen. Und dann gibt es jene, bei denen man sich fragt, ob das überhaupt ein Beruf ist oder eher ein Abnutzungsritual für Wortfetischisten und Krisenmanager. Chefredakteur in Mainz, das ist so ein Fall. Vieles klingt so glanzvoll wie ein goldener Türschild, aber wenn man ehrlich ist – es ist verdammt viel Alltag da drin. Und noch mehr Verantwortung. Gerade für jene, die den Sprung ins kalte Nachrichtenwasser erst wagen oder „mal was anderes“ suchen, fühlt sich der Weg zur Chefredaktion vielleicht an wie ein Spaziergang über dünnes Eis.
In Mainz ticken die Uhren journalistisch einen Tick anders. Großstadtflair, Universitätsgeist, rheinische Lebensart – alles auf engstem Raum. Wer hier eine Redaktion steuert, führt selten ein starres Regiment, sondern eher ein heterogenes Ensemble: Print, Online, Hörfunk, gelegentlich sogar TV im lokalen Format. Da wird geplant, getextet, korrigiert, aber eben auch vermittelt, moderiert, entstresst. Klassische Chefredakteursaufgaben eben – mit dem feinen Unterschied, dass der regionale Blick oft mehr zählt als blanke Reichweite. Mainz ist keine Medienstadt vom Kaliber Köln oder Berlin, lebt aber von einem besonderen Selbstbewusstsein – hier werden Nachrichten noch persönlich genommen. Irrlichternde Debatten um Tarifrunden im Landtag? Klar. Aber wehe, ein Bus fährt fünf Minuten zu spät – das füllt schnell das Lokaltelex und, pardon, auch manche Kommentarspalte.
Was muss man können? Viel schreiben, klar lesen, irgendwas mit Führung. So das Klischee. Tatsächlich aber sitzt man als Chefredakteur selten auf der Autorenbank – stattdessen jongliert man Interessen, steuert Prozesse, sucht Kompromisse. Und meistens geht es um Krisen: Nachrichtenlawinen, Personalquerelen, Debatten über Richtlinien. Hinzu kommen die altbekannten Baustellen – knappe Budgets, schrumpfende Redaktionen, wackelige Anzeigenmärkte. Mainz hat zwar einen besonders aktiven Lokaljournalismus – aber auch hier: Die Mehrfachbelastung ist Standard. Was viele unterschätzen: Kommunikation ist kein Nebenjob. Wer nicht zuhört, verliert schneller das Team als Schlagzeilen klickbar werden. Medienethik? Pflicht. Digitalkompetenz? Ebenfalls, gern auch mit technischem Feingefühl. Die Realität kratzt heftig am Idealbild des „letzten Instanzlers“ – oft fühlt man sich als Spielleiter auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten – mit Stoppuhr, aber ohne Anleitung.
Und was sagt der Arbeitsmarkt? Spielen wir nicht Märchenonkel – Mainz ist zwar kein Verlegerparadies, aber keinesfalls ein Niemandsland. Die lokalen Medienhäuser – vom traditionsreichen Verlag bis hin zum städtisch geprägten Sender – suchen immer wieder Köpfe, die Nähe zur Region zeigen. Den Fachkräftemangel, den man allerorten beschwört, spürt man hier durchaus, aber die Ansprüche sind knifflig: Fachkompetenz wird längst nicht mehr allein am handwerklichen Können bemessen, sondern am Talent, regionale Themen zu orchestrieren – und zwar mit Tempo und manchmal gegen den Wind. Wer neu einsteigt, hatte Glück, wenn er neben journalistischer Schärfe auch mit Eigenheiten der Stadt umzugehen weiß. Das Gehalt? Reden wir Tacheles: Einstiegsgehälter liegen meist bei 3.500 € bis 4.300 €, mit einigen Jahren Erfahrung sind durchaus 4.500 € bis 5.800 € möglich. Luft nach oben findet sich – aber selten ohne Zusatzaufgaben oder interdisziplinären Spagat. Was das bedeutet? Wer auf der Karrierestufe klettern will, sollte mit Flexibilität, Resilienz und gelegentlicher Unwucht klarkommen.
Wer als Chefredakteur in Mainz nicht stehen bleibt, stolpert. Digitale Umbrüche, KI-Skepsis und der Drang nach Transparenz fordern kontinuierliches Lernen – und bieten zum Glück einige Chancen. Die hiesigen Weiterbildungseinrichtungen, Medienstiftungen und sogar die Landesmedienanstalt bieten immer wieder praxisnahe Fortbildungsformate an: von intensivem Datenjournalismus bis zu Crashkursen in Krisenkommunikation. Der technische Wandel geht an Mainz nicht vorbei – Social Media, Content-Management, crossmediale Arbeit: Wer sich darauf einlässt, bleibt anschlussfähig. Trotz all der Trends, bleibt eine Frage im Raum: Warum tut man sich das an? Ganz einfach, weil die Region nicht schläft. Mainz ist unbequem, manchmal widersprüchlich, aber genau darin liegt der Reiz. Nicht jeder Tag ist ein Highlight, klar, aber Stillstand ist keine Option. Ich frage mich oft: Muss man dafür geboren sein, oder wächst man rein? Vielleicht trifft beides zu. Wer weiß das schon so genau.
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