medialog GmbH & Co. KG | Baden-Baden
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Als ich vor Jahren zum ersten Mal in einer Karlsruher Redaktion einen Kaffee – okay, es war Filterkaffee aus der Thermoskanne – umrührte, hätte ich die vielschichtige Choreografie dieses Berufs kaum geahnt. Wer Chefredakteur werden will, sollte sich auf mehr als journalistische Spürnase und Schreiblust gefasst machen. Es braucht ein Gespür für nervöse Märkte, gesellschaftliche Risse, digitale Hypes – und, nicht ganz unwichtig, eine Prise badischer Bodenhaftung.
Warum ausgerechnet Karlsruhe? Die Stadt fühlt sich manchmal wie ein unterschätzter Brennpunkt an: Universitäten, Technologieparks und eine heiße Presselandschaft prallen hier auf klassische Kleinverlage, Traditionshäuser und einen kritischen, zunehmend digitalisierten Leserkreis. Zwischen Start-ups am Alten Schlachthof und juristischer Schwere des Bundesgerichtshofs brodelt ein besonderer Medienmix – all das, was einen Chefredakteur auf Trab hält, gibt es hier quasi im Doppelpack. Was viele unterschätzen: Die Schnittstelle zwischen lokalen Themen und nationaler Reichweite ist im Südwesten ein Minenfeld – oder, wenn man Glück hat, ein Garten voller Gelegenheiten.
Der Alltag: kein simpler Staffellauf. Manuskripte zerfleddern, Interviews jonglieren, Themen setzen und wieder einstampfen, als wäre der Tag ein einziger improvisierter Tanz. Wer vom Fach kommt, weiß: Die schönste Headline kippt, wenn die Anzeigenabteilung nervös nach Seiten greift oder die Onlinezahlen auf dem Smartphone blinken, als wollte das Universum deine ganze Planung verhöhnen. Und doch, mitten im allfälligen Getöse – da ist manchmal diese ruhige, fast handwerkliche Arbeitsweise gefragt. Recherchieren, abwägen, Hand anlegen am Text. Hier in Karlsruhe, wo jeder dritte Leser sein Rechtsverständnis gleich mitliefert, verlangt die Chefredaktion auch kommunikative Präzision: Ein falscher Ton, und schon diskutiert halb Südstadt über deine Glaubwürdigkeit. Ehrlich, es gab schon ruhigere Berufe.
Das Handwerkszeug? Klar: Textkompetenz, Teamführung, Themenfindung – das bleibt. Doch digital sollte man rattenscharf unterwegs sein. Lokale Medien in Karlsruhe stehen unter Online-Druck; Paid-Content-Modelle, Social-Media-Logik und Datenanalyse sind längst keine Exoten mehr, sondern Alltag. Wer da nur Print kann oder Redaktionskonferenzen nach alter Väter Sitte abnickt, wird flott abgehängt. Man muss nicht selbst TikTok tanzen – aber verstehen, welche Wellenbewegungen das Publikum antreiben, sollte man schon. Und: Nicht jeder Kollege will immer mit auf diese Reise. Das Konfliktpotenzial wächst mit jedem technischen Update, darauf sollte man besser vorbereitet sein als auf den ersten Schnee auf dem Turmberg.
Was bleibt am Monatsende? In Karlsruhe rangiert das Gehalt für Chefredakteurinnen und Chefredakteure im Mittel zwischen 4.200 € und 5.700 €, je nach Verlag, Medium, digitaler Verantwortung und – die alte Mär – Verhandlungsgeschick. Das klingt nett, relativiert sich aber im ständigen Stresstest: Wer permanent on Air ist, braucht Nerven wie Drahtseile. Karrierechancen gibt es, sie sind aber oft verknüpft mit Geduld, Weiterbildung und einem wachen Auge für digitale Nischen. Persönlich habe ich immer das Gefühl, dass Karlsruhe als Standort unterschätzt wird – dabei entstehen die spannendsten Medienprojekte hier oft abseits der großen Bühnen, dafür aber mit mehr Freiheiten, als viele denken. Oder, um es mit einem Augenzwinkern zu sagen: Für jeden, der Debatte liebt, Zickzack-Karrieren nicht scheut und im „wildgewordenen“ Medienbetrieb auch mal improvisiert, kann Chefredaktion in Karlsruhe das beste Abenteuer seit Erfindung des Lokaljournalismus sein.
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