Media University of Applied Sciences | Frankfurt
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Manchmal hat man beim Blick auf Heidelberg den Eindruck, als stünde die Zeit still – altehrwürdiges Gemäuer, der Neckar, der philosophische Spaziergang in der Dämmerung. Und doch pulsiert unter dieser friedlichen Oberfläche ein Medienleben, das gerade für angehende Chefredakteurinnen und Chefredakteure mehr Sprengkraft in sich trägt, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Wer aus dem Studium oder als erfahrene Fachkraft vor der Entscheidung steht, in der traditionsreichen Universitätsstadt eine leitende Position in der Redaktion anzustreben, wird schnell feststellen: Hier zählt nicht nur das trockene Handwerk des Chefredakteurs. Hier ist Feinsinn gefragt – aber auch Fingerspitzengefühl für Wandel, für Region, für Kontroversen.
Was bedeutet es eigentlich, Chefredakteur oder Chefredakteurin in Heidelberg zu sein? Nun, ganz sicher nicht, sich ausschließlich auf die großen Themen zu stürzen: Internationales, Politik, Wirtschaft – das haben die meisten Zeitungen im Portfolio. Doch im direkten Kontakt zum Heidelberger Lebensgefühl ist es häufig die Kunst, Alltägliches lesenswert zu machen und die richtigen Fragen zu stellen. Man jongliert – Inhalt, Personal, Leserinteressen, Wirtschaftlichkeit (manchmal auch alles gleichzeitig und vor dem ersten Kaffee). Die Steuerung redaktioneller Abläufe, das Entwickeln und Überprüfen von Themenlinien – klar, das gehört zum Kern. Doch im Hintergrund stemmen sich Chefredakteure zunehmend auch gegen das Schrumpfen der Redaktionen, die wachsenden Anforderungen an digitale Formate und… ja, die allgegenwärtige Sparpolitik.
Klingt nach viel, fast zu viel? Mag sein. Aber Heidelberg hat einen eigenen Rhythmus – eine Mischung aus weltoffenem Bildungsbürgertum, Studierenden, junger Kreativszene und einer Schicht, die an der Vergangenheit festhält, zugleich aber auf die nächste Startup-Beteiligung schielt. Gerade das macht den Beruf reizvoll. Für Jungredakteure mit frischen Ideen gibt es in lokalen und regionalen Redaktionen tatsächlich Raum, neue Formate zu setzen. Wer zum Beispiel die Themen Bildung oder Wissenschaft aufgreift – zwei Felder, die in Heidelberg permanent brodeln –, kann vom klassischen Zeitungsleser bis zur experimentierfreudigen Online-Community eine seltene Bandbreite an Zielgruppen erreichen. Aber: Man tritt niemandem auf die Füße, indem man immer auf Konsens setzt. Klartext, Haltung und gelegentlich Widerspruch sind gefragt – auch gegenüber dem eigenen Verlag oder Traditions-Kollegium.
Es wird gern geschwiegen – ich halte das für einen Fehler –, aber die Zahlen gehören auf den Tisch. Das Gehaltsgefälle für Chefredakteure in Heidelberg ist beachtlich und schwankt, je nach Medium und Verlag, zwischen etwa 3.800 € und 5.200 € pro Monat. Wer den Sprung von der Redaktion zur Leitung wagt, merkt rasch: Die Verantwortung wächst – das Einkommen meist auch. Einsteiger müssen dennoch, vor allem bei kleinen Lokalmedien, mitunter Abstriche machen. Leidenschaft allein bezahlt keine Miete, das weiß jeder, der mehr als einen Monat den Kassenstand im Blick hatte. In größeren Medienhäusern, die sich erfolgreich digitalisiert haben, sind hingegen auch 5.700 € oder mehr nicht unrealistisch, wenn Berufserfahrung und Erfolge nachweisbar sind. Bleibt ein übliches Dilemma: Wer sich zu lange unter Wert verkauft, rutscht in die Sackgasse. Wenigstens bietet Heidelberg ein stabiles, gut vernetztes Medienumfeld, das bewahrt, was andernorts schon weggekappt wurde – operativ und was Chancen auf Quereinstiege betrifft.
Wer jetzt glaubt, der Weg zum Chefredakteurspult führe über Alter, graue Haare oder einen Ph.D., liegt schief. Praxis, publizistische Haltung und die Fähigkeit, ein Team zu führen, zählen heute mehr als akademische Lorbeeren. Und Heidelberg? Die Stadt, in der der Buchdruck alt ist – aber die Innovationsfreude jung geblieben. Ein Paradebeispiel: Digitale Projekte ploppen auf, lokale Podcasts werden zu Leitmedien, Newsletter ersetzen zum Teil das Samstagsexemplar im Briefkasten. Noch bleibt das Feuilleton in der Lokalszene lebendig, aber wer nicht digital denkt, bleibt im 20. Jahrhundert. Weiterbildung? Pflicht. Angebote gibt’s bei Journalistenschulen, der Universität, aber oft auch intern – man muss sich halt trauen, verkrustete Routinen infrage zu stellen.
Der Beruf Chefredakteur in Heidelberg ist kein stilles Kämmerchen. Er ist Diskursraum, Werkstatt, Bühne, Prügelfeld (im metaphorischen Sinn – meist). Und man schwankt zwischen Eitelkeit, Idealismus und Pragmatismus – von allem ein bisschen, selten in der richtigen Dosierung. Aber wer Lust auf intellektuelles Tauziehen und echten Einfluss auf das öffentliche Denken hat, wer ein dickes Fell nicht nur als Metapher versteht und sich flexibel an neue Spielregeln anpasst, findet in Heidelberg ein Labor für anspruchsvollen Journalismus. Verlockend? Vielleicht anstrengend – aber sicher relevanter denn je.
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