Media University of Applied Sciences | 50667 Köln
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CHEFS CULINAR West GmbH & Co. KG | 47652 Weeze
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Chefredakteur in Hagen werden. Das klingt nach Großstadtflair im Kleinformat, nach Regionalzeitung mit viel Herzblut, nach einer Gratwanderung zwischen Lokalstolz und digitaler Zeitenwende. Wer sich hier aufs Parkett wagt – ob frisch von der Hochschule, aus dem Lokalressort oder als erfahrene Fachkraft aus einer anderen Ecke der Medienwelt –, der merkt schnell: Hagen ist eine eigene Baustelle. Nicht unbedingt im negativen Sinn, eher als Einladung zum Selbermachen. Wer ernsthaft in Erwägung zieht, hier eine Redaktion zu führen, sollte sich vor allem für Wandel begeistern können. Stoisch hinter holzvertäfelten Zeitungsschreibtischen zu sitzen – das ist romantisch, aber vorbei.
Was macht den Chefredakteur eigentlich zum Chefredakteur? Hier im südöstlichen Ruhrgebiet scheinen die Chefsessel kleiner Zeitungen, Lokalradios und Digitalmedien selten wirklich bequem. „Du bist nie fertig“ – so hat mir ein Kollege mal entgegengerufen, kurz bevor der Server streikte und der Landrat eine WhatsApp schickte. Ein typischer Tag: Redaktionskonferenz, Grantlerschlichtung, Excel-Kalkulation, Interview mit dem OB, Nachtschicht wegen eines Wasserrohrbruchs, Content-Check fürs Onlineportal. Klingt abwechslungsreich? Ist es. Aber manchmal auch arg zerrissen.
Was dazu kommt: Der Kostendruck plustert sich auf, während das Publikum je nach Altersgruppe eigene Plattformen nutzt und die Anzeigenkunden mehr erwarten (oder weniger zahlen wollen). Da darf man ruhig mal zweifeln, wie lange sich das alles noch zusammenhalten lässt. Aber die Wahrheit: Wer seine Stärken kennt – Sachverstand, Führung, den richtigen Riecher für Debatten – und bereit ist, Verantwortung zu schultern, dem öffnen sich hier tatsächlich Chancen. Auch wenn man am Donnerstagmittag manchmal lieber in den nahen Wald fahren würde, statt die Leserkritik zu beantworten. Jedenfalls meiner Meinung nach.
Beim Verdienst darf man in Hagen keinen Höhenflug erwarten, aber auch keine Misere. Während in größeren Medienhäusern der Weg nach oben meist mit Städten wie Düsseldorf gepflastert ist, liegt das Einstiegsgehalt im Hagener Chefredakteursbüro meist zwischen 3.200 € und 4.100 €. Bei nachgewiesener Führungserfahrung, journalistischer Breite und Digital-Kompetenz – ja, auch die berühmte Redaktions-Transformation hin zum Crossmedia-Betrieb – kann es in Ausnahmefällen auf 4.800 € klettern. Wichtiger als das reine Zahlenwerk ist allerdings, dass man sich geistig beweglich hält: Wer neue Formate entwickelt, recherchiert, moderiert und wirklich mit der Stadt verwächst, stößt irgendwann auf Nischen, die den Beruf auch abseits des Tarifs attraktiv machen. Es gibt hier eine gewisse Wertschätzung für originelle Herangehensweisen, die sich manchmal sogar materiell auszahlt. Gehaltsverhandlungen in Hagen werden, so meine Erfahrung, weniger von Marketing-Selbstinszenierung als von erkennbarer Kompetenz geprägt. Das hat was.
Hagen tickt – im Vergleich zu Hamburg, München oder Berlin – noch recht bodenständig. Die Chefredaktion im Revier merkt aber trotzdem, dass Digitalisierungsdruck und Social-Media-Detailschärfe auch hier an der Tür schaben. Wer jung einsteigt und fit ist für regionale Podcasts, Community-Dialog oder investigativen Newsletter-Journalismus, dem öffnen sich Türen und Köpfe. Und wer schon Erfahrungen aus größeren Märkten mitbringt? Der könnte mit den richtigen Impulsen Lokaljournalismus neu denken, ohne die alten Leser zu verprellen. Ein Spagat, zugegeben. Im Kern gilt: Es wird erwartet, dass man sowohl mit Traditionalisten (Stichwort Schützenfest, lokale Wirtschaft) als auch mit den Veränderungswilligen (Startup-Szene, Bildungsinitiativen) umgehen, führen und Inhalte vermitteln kann. Ein Spiel mit doppeltem Boden – manchmal sogar im Wortsinn, wenn im Verlag die Etagen knarzen.
Wenn ich an meine ersten Monate als Chefredakteur denke, dann komme ich auf das Bild eines Jongleurs zurück. Mal erschien mir alles bestens ausbalanciert – dann wieder drohte ein Ball unter den Tisch zu kullern. Typisch Hagen: Man hat die Chance, mitzugestalten, statt nur die Flanken abzusichern. Natürlich erlebt man viel Diskussion, gelegentlich sogar Gegenwind aus der eigenen Mannschaft. Gut so. Wer in Hagen journalistisch führen will, sollte nicht vor Reibung zurückschrecken. Mit etwas Durchhaltevermögen, viel Neugier und einer Prise Widerborstigkeit – nicht zu vergessen Humor – kann man hier allerdings mehr bewegen, als der Stadtklischee-Ruf es vermuten lässt.
Ist das Risiko hoch? Ja. Ist der Einfluss begrenzt? Manchmal. Aber die Lust, sich auf diesen besonderen Resonanzraum einzulassen, ist – ehrlich gesagt – bis heute geblieben.
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