Media University of Applied Sciences | 50667 Köln
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CHEFS CULINAR West GmbH & Co. KG | 47652 Weeze
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Manchmal habe ich den Eindruck, viele denken beim Titel „Chefredakteur“ an einen leicht angestaubten Typ mit Lesebrille, der an der Kaffeemaschine aus alten Anekdoten schöpft – dabei schiebt er ein paar Manuskripte hin und her, alle duzen sich jovial, das Nordwest-Zeitungsgefühl der 80er eben. Aber so läuft das Spiel heute nicht mehr. Jedenfalls nicht in Gelsenkirchen, einer Stadt, die gerne unterschätzt wird – und gerade deshalb journalistisch so spannend ist.
Gelsenkirchen: das Herz aus Kohle, aber das Hirn längst im Strukturwandel. Wer hier als Chefredakteur einsteigt, lässt sich auf ein doppeltes Experiment ein. Die lokale Medienlandschaft ist kleiner als in Hamburg oder München, keine Frage. Gefühlt kennt jeder jeden, und selbst aus der Gerüchteküche kommen manchmal ganz anständige Nachrichten-Ideen. Dafür wartet man auf neue Geschäftsmodelle – Stichwort: Digitalisierung der Redaktionen. Nicht wenige Print-Titel kämpfen in den letzten Zügen, während Online-Formate wie Pilze aus dem Boden schießen. Was viele unterschätzen: Der Wandel trifft alle, und gerade Chefredakteur:innen brauchen in Gelsenkirchen einen wachen Blick für diese regionalen Verwerfungen. Nicht selten treibt einen die Frage um: Wie viel Lokalpatriotismus darf – oder muss – man sich leisten, um beim Publikum zu punkten, ohne an Distanz zu verlieren?
Wer in den Job startet, sollte wissen: Das ist keine gemütliche Blattmacher-Routine mehr. Strategiegespräche, Redigieren, Themenkalender, Leser:innen-Kommentare im Minutentakt – und dann die ständige Gratwanderung zwischen wirtschaftlichem Druck und publizistischer Unabhängigkeit. Dass sich im Ruhrgebiet selbst große Geschichten manchmal in kleinen Bezirken verstecken, gehört dazu. Ich habe es mehrfach erlebt: Mal bringt ein Interview in Schalke mehr Sprengkraft als jede bundesweite Agenturmeldung. Aber genügt das? Nicht ganz. Medienrecht, Social-Media-Finesse, Datenjournalismus – Chefredakteur:innen brauchen heute digitales und journalistisches Fingerspitzengefühl. In Gelsenkirchen heißt das: Hand aufs Herz, aber Kopf bei der Sache.
Reden wir über das Geld. Da gibt es nichts zu beschönigen: Viele Redaktionen in Gelsenkirchen zahlen weniger als Leitungsjobs in der Privatwirtschaft. Das Einstiegsgehalt für Chefredakteur:innen fängt oft bei 3.200 € an; mit einigen Jahren Berufserfahrung – und dem richtigen Renommee – sind 4.000 € bis 4.800 € möglich. Luxus ist das nicht, aber eine solide Basis, vor allem, wenn man Verantwortung mag und Idealismus kein Luxusproblem ist. Was viele nicht ahnen: Es gibt traditionelle Medienhäuser, die an ihrer eigenen Hierarchie hängen, und gleichzeitig hippe Start-ups, in denen neue Ideen gefragt, manchmal aber auch recht schnell „verbrannt“ sind. Weiterbildung, zum Beispiel im digitalen Publizieren oder Medienrecht, wird seltener großzügig bezahlt, aber lohnt sich doppelt – fachlich wie persönlich.
Bleibt die Frage: Lohnt sich das Abenteuer Chefredaktion, ausgerechnet in Gelsenkirchen? Ich würde sagen: Ja, für alle, die Lust auf Verantwortung in einer überschaubaren, aber lebendigen Medienlandschaft haben. Wer es mag, mit manchmal knappen Ressourcen zu arbeiten, aber dafür echte Wirkung zu erzielen – in einer Stadt, in der nicht alles glattgebügelt und vorhersehbar ist. Manchmal beneide ich die, die ganz am Anfang stehen: Sie bekommen den Wandel nicht nur zu spüren, sondern können ihn gestalten. Natürlich ist das kein Spaziergang. Aber wer liebt schon Strecken ohne Schlaglöcher? Eben.
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