medialog GmbH & Co. KG | Baden-Baden
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Freiburg im Breisgau – ein Name, der für so manche einen Hauch von Beschaulichkeit verströmt, irgendwo zwischen Schwarzwaldidylle und studentischem Treiben. Und dann soll man ausgerechnet hier Chefredakteur werden? Klingt erst einmal schief – als würde man einer Blaskapelle das Dirigieren überlassen und ihnen anschließend Jazznoten hinlegen. Doch so einfach ist es nicht, nie gewesen. Jedenfalls nicht in dieser Stadt, die gerne unterschätzt wird.
Wer glaubt, ein Chefredakteur führe nur noch die Feder (bildlich gemeint, in Freiburg ist das W-LAN stabil genug), irrt gewaltig. Hier am Dreiländereck tanzt der Job auf mehr Hochzeiten als einem eigentlich lieb ist. Redaktionsleitung, Personalführung, Themenplanung, Budgetverantwortung, Ethikbeauftragter – was auch immer die Tagesform verlangt – alles kann, alles muss. Manches kommt mit der Erfahrung, vieles wächst einem wider Erwarten über die Ohren. Der Spagat? Hart und oft wenig dankbar: Hier die jungen Talente, die Instagram als Recherchetool verstehen, da die alteingesessenen Autoren, für die Print ein Lebensgefühl bleibt. Und irgendwo dazwischen versucht man als Chefredakteur, den Puls einer Stadt zu fühlen, die im einen Viertel morgens Öko-Müsli löffelt und im anderen gegen Mieten demonstriert.
Wer hier über die hiesigen Redaktionsstuben spricht, kommt um eins nicht herum: Ressourcen sind begrenzt, aber die Erwartungen umso größer. Ein Chefredakteur in Freiburg steht ständig mitten im Spagat zwischen lokalem Tiefgang und digitaler Reichweite. Die großen Verlagshäuser? Sitzen eben nicht hier, sondern eher in Hamburg oder München. Das hat Vor- und Nachteil: Man ist oft gezwungen, Neues zu probieren, notfalls improvisierend. Gleichzeitig liegt genau in dieser Frei- und Eigenständigkeit auch ein Reiz – und eine nicht zu unterschätzende Herausforderung für alle, die den Sprung in diese Position wagen (oder unfreiwillig hineinrutschen, wie das gelegentlich passiert).
Fakten, bitte: Die Gehaltsspanne für Chefredakteurinnen und Chefredakteure in Freiburg ist alles, nur kein Grund zur überschwänglichen Hoffnung. Einstiegsgehälter liegen meist bei 3.200 € bis 3.500 €. Wer länger dabei ist, darf mit 3.800 € bis 4.500 € in Verlagen oder erfolgreichen digitalen Medien rechnen. Unterm Strich? Sicher kein Hungerlohn, aber verglichen mit ähnlichen Positionen in Metropolen eben auch kein Sprungbrett in Richtung Traumvilla. Das Thema Work-Life-Balance schleicht sich da ganz von selbst über die Hintertür ein. Nicht wenige kompensieren das gefühlte Weniger an Gehalt mit einem echten Mehr an Flexibilität. Irgendwer sitzt immer am See, während das Handy trotzdem vibriert – Freiburg eben.
Die Digitalisierung ist, wie so oft, Fluch und Segen zugleich. Lokale Medien kämpfen hier wie überall mit schrumpfenden Print-Auflagen, manchmal auch mit notorischem Personalmangel. Aber Freiburg trumpft immerhin mit einem Publikum auf, das sehr genau hinschaut: politisch wach, gesellschaftlich engagiert, manchmal anstrengend neugierig, aber nie gleichgültig. Für Chefredakteurinnen und Chefredakteure heißt das konkret: Wer keine digitalen Narrative liefern kann oder bei Debatten zu weit hinterherhinkt, landet schneller im medialen Abseits, als ihm lieb ist. Gleichzeitig ist der Austausch mit der Stadt radikal anders als in anonymeren Großstädten. Wer hier inhaltlich patzt, bekommt das Feedback oft ungefiltert – an der Supermarktkasse, nach dem Feierabendbier, im Hörsaalflur. Und das ist, bei aller Mühe, goldwert.
Manchmal frage ich mich, warum immer noch Leute Chefredakteur werden wollen. Gerade hier, in dieser eigenwilligen Mischung aus Provinz und kritischer Aufbruchsstimmung. Vielleicht ist es der Reiz, Teil eines kommunikativen Kraftfelds zu sein. Vielleicht aber auch die Lust, am lokalen Diskurs zu schrauben, die Zukunft der Berichterstattung wenigstens für ein paar Straßen mitzugestalten. Unterm Strich bleibt: Wer den Schritt wagt – als Berufseinsteiger, Umsteiger oder Rückkehrer – sollte Neugier mitbringen, eine gewisse Frustrationstoleranz und den Mut, sich auch mal zu blamieren. Ohne das geht hier kaum etwas. Und, Hand aufs Herz: Genau das macht den Job doch so lebendig, wie Freiburg selbst.
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