Cytiva | Bodman-Ludwigshafen
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Hand aufs Herz: Wer in Freiburg im Breisgau an Biotechnologie denkt, landet schnell bei der traditionsreichen Uni, dem Zwerchfell tanzenden Innovationscampus oder diesen unscheinbaren Instituten im Gewerbegebiet Nord. Eigentlich ist die Stadt nicht Berlin, nicht Zürich – und auch kein notorisches Start-up-Mekka. Aber: Sie ist ein Biotechnologie-Standort, der zwischen Bächle und Schwarzwald durchaus seinen eigenen Takt hat. Und als Berufseinsteiger, Umsteiger, vielleicht auch als biotechnologischer Quereinsteiger kann man sich hier – je nach Temperament – fühlen wie ein Pionier, ein Lotse oder einfach ein stiller Zahnrädchen-Dreher im organisch gewachsenen Räderwerk.
Biotechnologie in Freiburg, das bedeutet: anpacken können, verstehen wollen und nicht selten die Nerven behalten, wenn ein Zellkultivierungsversuch nach 48 Stunden wortlos scheitert – einfach, weil die Temperatur in der Brutkammer launisch war. Die Bandbreite an Tätigkeitsfeldern ist erstaunlich: Wer mit forschungsnaher Orientierung kommt, wird in der Grundlagenforschung, medizinischen Biotechnologie oder pflanzlichen Verfahrenstechniken fündig. Die Mischung? Mal ein toxikologisches Screening an der Uni, dann wieder antibody engineering im aufstrebenden Biotech-Unternehmen – oder wortwörtlich am Reagenzglas feilen für die Diagnostik.
Was viele unterschätzen: Die mittelständische Struktur Freiburgs spiegelt sich auch im Biotech-Cluster wider. Von außen betrachtet sind die großen Namen rar, dafür herrscht im Inneren reger Betriebsamkeit: Familiengeführte Produktionsbetriebe, kleine Dienstleister, Ausgründungen, alles eng verzahnt mit der universitären Forschungslandschaft – und immer mal wieder schwappt eine Innovation aus dem Medizinsektor herüber, gelegentlich auch aus dem Bereich Umwelttechnik. Manchmal sogar ein bisschen zu brav, schon klar – aber mit messbarer Stabilität.
Es ist wie so oft: Die goldenen Horizonte versprechen die Branchenmedien, der Alltag ist dann eher silbergrau. Das Gehalt – tja, reden wir nicht drum herum. Wer im Forschungsbetrieb am Uniklinikum anheuert, spielt mit einem Jahresgehalt von ungefähr 40.000 € bis 55.000 €, je nach Qualifikation und Projektauslastung. In kleinen Biotechnologie-Unternehmen geht es mit 2.800 € für Einsteiger oft los, bei spezialisierten Fachkräften, etwa in der Prozessentwicklung oder regulatorischen Aufgaben, sind durchaus 3.500 € bis 4.200 € drin. Klar, Festanstellungen sind keine Selbstläufer. Die Konkurrenz ist da – nicht unbedingt aus München, vielmehr aus dem eigenen Hörsaaljahrgang, manchmal querbeet aus Frankreich oder der Schweiz.
Was sich positiv vom bundesdeutschen Durchschnitt abhebt: die offene, manchmal fast familiäre Unternehmenskultur. Mit einer Prise Eigenverantwortung, die kein Chef mehr erklären muss. Man hilft sich – außer es steht mal wieder eine entscheidende Ausschreibung an, dann wird auch in Freiburg die Ellbogenmentalität sichtbar. Man kann nicht alles haben.
Freiburg profiliert sich seit Jahren als Standort nachhaltiger Biotechnologie; der Green-Tech-Faktor steckt hier nicht nur im Uni-Image. Wer sich für Umweltanwendungen interessiert – etwa in der mikrobiellen Sanierung oder Rohstoffrückgewinnung – trifft am Oberrhein auf ungewöhnlich viele spin-offs aus der Umwelt- und Verfahrenstechnik. Die lokalen Akteure sind eng mit dem Süden vernetzt: Basel wirft seinen Schatten, sogar bis ins Breisgauer Speckgürtel.
Allerdings: Die Zahl der richtig großen Biotech-Arbeitgeber bleibt überschaubar – Expansionen sind eher die Ausnahme. Deshalb ist Flexibilität Trumpf, ebenso wie die Bereitschaft, in Mischrollen zwischen Labor, Dokumentation und manchmal auch Marketing zu springen. Wer hier keine starre Aufgabenteilung erwartet, findet sein Biotop.
Was die Stadt Freiburg reizvoll macht? Sicher die Nähe zu aktuellen Forschungstrends: Metagenomik, Biosensorik, nachhaltige Produktion. Hier wird Weiterbildung fast zum Zwang, zumindest zum Selbstläufer für alle, die nicht auf dem Stand von letzter Woche verharren möchten. Kooperationen mit Hochschulen, regelmäßige Treffen im Wissenschaftssektor und sogar der Austausch über die Landesgrenze – das alles ist keine hohle Phrase, sondern gelebter Alltag. Doch Achtung: Wer Sicherheit und festgetretene Pfade sucht, ist schnell raus.
Manchmal fragt man sich, warum sich überhaupt so viele junge Talente auf Freiburg einlassen, bei all den Herausforderungen und Unwägbarkeiten. Vielleicht ist es die Mischung: Stadtluft trifft Laborflair, Bodenständigkeit trifft Fantasie. Oder – vielleicht bin ich da zu eigensinnig – das Gefühl, an einem Ort zu arbeiten, an dem scheinbar kleine Schritte große Wirkung haben können. Es muss nicht immer die große Bühne sein. Für mich zählt das.
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