seca services gmbh | 20095 Hamburg
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Leica Microsystems | Langenhagen
seca services gmbh | 20095 Hamburg
Leica Microsystems | Langenhagen
Wer sich entschieden hat, in Bremen einen Neuanfang oder Quereinstieg in der Biotechnologie zu wagen, begegnet erst einmal einer Art doppeltem Stolperdraht: Hier gibt es ambitionierte Start-ups, traditionsreiche Pharmaunternehmen und universitäre Forschungsinstitute – alle auf engstem Raum zwischen Hafencity, Überseestadt und steifem Nordwestwind. Klingt wie das Paradies für Technologiebegeisterte, und doch… der Alltag ist weniger spektakulär als die Hochglanzbroschüren behaupten. Eine nüchterne Bestandsaufnahme schadet daher nicht.
Was umfasst überhaupt „Biotechnology“ in Bremen? Die Latte der Möglichkeiten reicht von klassischer Laborarbeit (PCR, Zelllinien, Proteinanalytik – der übliche Kram) bis hin zu modernen Themen wie synthetische Biologie, pharmazeutische Entwicklung und Bioinformatik. Alles schwirrt hier irgendwie durcheinander – gelegentlich fühlt sich das Berufsfeld an wie ein Puzzle, dessen Randstücke fehlen. Für Berufseinsteiger:innen kann das irritierend sein, besonders wenn sie aus einem klar abgegrenzten Studium oder einer fachlichen Weiterbildung kommen. Die Realität: Hier wird Allroundertum erwartet, kombiniert mit fachlicher Tiefe und Wetterfestigkeit, nicht nur im übertragenen Sinne.
Wer denkt, Bremen sei provinziell und biotechnologisch eher am Rand, irrt übrigens gewaltig. Die lokale Branche profitiert vom Windschatten der Luftfahrt, aber auch von der Nähe zu maritimer Forschung, Ernährungswirtschaft und Ingenieurdisziplinen. Das produziert spannende hybride Arbeitsplätze – etwa, wenn Mikroalgen der Klimaforschung gesellschaftsfähig gemacht oder biomedizinische Sensoren für den Offshore-Einsatz entwickelt werden. Was es in Bremen gibt (und was anderswo nur in Visionen existiert), sind kleine, wendige Firmen, die Kooperation wagen. Da kann es vorkommen, dass man als Einsteiger schon nach wenigen Monaten direkt am längeren Hebel sitzt – oder eben von heute auf morgen in der Produktentwicklung landet, weil plötzlich ein Forschungsprojekt „hochskaliert“. Ob das nun Abenteuer oder Unsicherheitsfaktor ist – Ansichtssache.
Der Arbeitsmarkt selbst: Fast immer sagen sie, er sei „dynamisch“. In Bremen? Würde ich eher als ein auf und ab mit gelegentlichen Sprüngen bezeichnen. Es gibt Jahre mit wagemutigen Gründungen, dann wieder Konsolidierungsphasen, die an den Nerven zehren. Einsteiger:innen mit Bachelor oder Master werden aktuell vorrangig für Labor, Qualitätssicherung, Produktion und – nicht zu unterschätzen – regulatory affairs gesucht. Gehaltlich landet man zum Start meist zwischen 2.800 € und 3.400 €. Das klingt erstmal solide, ist verglichen mit München oder Basel aber keine Oberliga. Was viele in Bremen überzeugt, sind die flachen Hierarchien – man kennt die Chefin oft beim Vornamen oder trinkt den ersten Kaffee mit dem CTO, bevor man weiß, was CTO genau bedeutet. Vielleicht ist das der eigentliche Standortvorteil: Kein undurchdringlicher Konzernbetrieb, sondern echte Mitgestaltung – mit allen Reibungsverlusten.
Heikel wird’s beim Thema Weiterentwicklung. Ja, Bremen hat renommierte Institute, einige hochdekorierte Professoren und ein dichtes Netzwerk zwischen Universität und Wirtschaft. Doch der Schritt aus der Wissenschaft in die Industrie wird fraglos härter, je spezialisierter die Vorerfahrung ist. Soft Skills, Projektmanagement und digitale Kompetenzen – das alles wird inzwischen lauter eingefordert als jeder weitere Färbelauf im Labor. Wer ernsthaft langfristig in der Branche bleiben will, kommt ums interdisziplinäre Lernen nicht mehr herum. Kritisch hinterfragen darf man allerdings, wie viele neue Tools man pro Monat wirklich braucht. Die Gefahr, zum „Weiterbildungskosmetiker“ zu werden, ist real.
Und der Blick aufs große Ganze? Bremen, das kann man nicht oft genug betonen, nimmt mit seiner Biotechnologie eine ehrliche Zwischenposition ein: ambitioniert, aber nicht abgehoben; offen für Neues, aber manchmal abwartend-zögerlich. Als Berufseinsteiger:in oder wechselwillige Fachkraft sollte man diese Mischung nicht unterschätzen. Wer Gestaltungsräume sucht und keine Angst vor gelegentlichem Gegenwind hat – beruflich oder meteorologisch –, kann hier erstaunlich schnell Verantwortung übernehmen. Nur eins lernt man recht früh: Die wirklich spannenden Projekte tauchen selten da auf, wo man sie im Vorfeld vermutet hätte. Und vielleicht ist genau das der kleine, raue Charme dieser Branche zwischen Laborbank und Weser.
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