Varius Werkstätten Lebenshilfe Rhein-Kreis Neuss gGmbH | 41569 Rommerskirchen
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Wer zu Beginn einer Schicht durch eine der Bonner Druckhallen schlendert, spürt es sofort: Hier riecht es nach Textilfarben, Lösemitteln, manchmal nach Kaffee und Vorfreude auf das nächste Motiv. Kein Duft für zarte Gemüter – aber das ist ohnehin nicht die Zielgruppe. Textildrucker:innen in Bonn bewegen sich in einem Berufsfeld, das irgendwo zwischen Tradition und Aufbruch oszilliert. Und, ja, es gibt Ecken und Kanten: Den “reinen” Lehrbuchbetrieb, in dem alles immer sauber parallel läuft, findet man nur selten. Aber gerade das macht den Reiz (und manchmal auch den Frust) dieser Tätigkeit aus.
“Digitaldruck ersetzt alles!” – So ähnlich tönt es in mancher Frühstückspause, besonders wenn die Rede auf Automatisierung und Industrie 4.0 kommt. Die Wahrheit, naja, die liegt irgendwo dazwischen. Wer als Berufseinsteiger:in morgens vor einem Siebdruckkarussell steht, merkt schnell, dass Fingerspitzengefühl und Erfahrung durch kein Byte ersetzt werden. Aber: Die Digitalisierung verändert auch in Bonn die Anforderungen. Viele Betriebe fahren längst einen Spagat zwischen klassischem Handwerk und computergesteuerten Systemen. Wer hier einsteigt, bekommt das Beste (oder vielleicht auch das Schwierigste?) aus beiden Welten. Flexibilität, technischer Sachverstand und die Bereitschaft, sich gelegentlich die Hände schmutzig zu machen, sind gefragt. Wer eine gewisse Abneigung gegen Farbspritzer am Hemdkragen verspürt, ist hier vermutlich falsch.
Jetzt könnte ich behaupten, in Bonn tickt alles völlig anders. Stimmt aber nur halb. Zwar mischt sich hier das klassische Handwerk gern mit universitärer Umgebung und einer lebhaften Kulturszene: Bedruckte T-Shirts für Festivals, Vereinsmerch für die Bonner Rugbyabteilung oder Banner fürs Beethovenjahr – langweilig wird es nicht. Gleichzeitig spürt man die Konkurrenz aus dem Rheinland: Köln, Düsseldorf, gelegen nur eine S-Bahn-Fahrt entfernt, bieten größere Märkte und manchmal auch ein höheres Preisniveau. Dennoch, manche kleinere Bonner Ateliers punkten mit persönlicher Kundenbindung und schnellen Prozessen. Was viele unterschätzen: Hier profitiert man längst nicht nur von Industriekunden, sondern auch von unzähligen kleinen Bestellungen – stückweise, individuell, aber oft mit überraschend hohen Qualitätsansprüchen.
Reden wir endlich übers Geld – auch wenn das Thema gern umschifft wird. In Bonn bewegen sich Einstiegsgehälter für Textildrucker:innen meist zwischen 2.300 € und 2.800 €. Wer sich weiterqualifiziert oder in technisch anspruchsvollere Nischen rutscht (Stichwort: Digitaldruck mit Spezialeffekten oder technische Textilien), kann mit 2.900 € bis 3.400 € rechnen – selten mehr, außer man übernimmt Verantwortung in der Leitung. Natürlich: Es gibt Outlier, nach oben wie unten. Die Realität vieler Betriebe – besonders der kleinen und mittleren – ist: Leistung zählt, aber Luft nach oben bleibt manchmal aus. Dennoch: Persönlicher Einsatz, kontinuierliche Fortbildung (und die Bereitschaft, nie auszulernen), zahlen sich aus – auch wenn das Gehaltsplus oft im dreistelligen Bereich bleibt. Wer das als Mangel empfindet, sucht vielleicht eher die Luft der Industrie.
Woran ich mich nach Jahren erinnere? Vielleicht am ehesten an das Zusammenspiel aus Pragmatismus und Stolz. Wer einmal ein aufwendiges Motiv gedruckt und nach dem letzten Trocknungsvorgang überprüft hat – keine Schatten, kein Versatz, alle Farben leuchten – der weiß, warum viele trotz aller Herausforderungen dabeibleiben. Allerdings, Hand aufs Herz: Vieles wird unterschätzt. Ohne technisches Grundverständnis, Lust am Mitdenken und Nervenstärke an stressigen Tagen bleibt der Frust nicht aus. In Bonn – zwischen Kleinbetrieb und industrieller Fertigung, zwischen Altbau und Vorstadtgewerbegebiet – geht es selten monoton zu. Wer neugierig, lernbereit und nicht ganz abgeneigt gegen Spätschichten ist, kann sich hier behaupten. Nicht immer easy, oft dreckig, manchmal frustrierend, fast immer abwechslungsreich. Ob das der richtige Arbeitsplatz fürs gesamte Berufsleben ist? Das muss jede:r selbst rausfinden. Wer’s ausprobiert, darf sich jedenfalls auf ein Handwerk freuen, das mehr mit Zukunft zu tun hat, als sein verstaubter Ruf denken lässt.
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