biac Personalservice GmbH - Dresden | 01067 Dresden
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Wer morgens frische Luft atmen will, der sollte sich vielleicht nicht gerade im Winter auf eine Baustelle in Leipzig begeben. Das ist kein Geheimnis, schon gar nicht für Tapeziererinnen und Tapezierer, die tagein, tagaus mit spitzen Spachteln, schweren Rollen und der unterschätzten Kunst der Oberflächenschmeichelei zu tun haben. Leipzig – Stadt des Wandels, sagen die einen, Knotenpunkt für Bau, Restaurierung und Umwandlung, sagen die anderen. Als jemand, der die Branche aus nächster Nähe beobachtet, manches Mal bewundert, manches Mal auch den Kopf schüttelt, wage ich den Versuch, etwas Licht in die echte Arbeitswelt von Tapezierern vor Ort zu bringen. Ganz ohne rosa Brille und Werbeprosa.
Man könnte meinen, Tapezieren sei eine Tätigkeit, die sich kaum verändert hat, höchstens stilistisch. Falsch gedacht. Schon an der ersten Ecke auf dem Lindenauer Markt trifft man auf Gebäude, deren Wände Geschichten erzählen – aber erst, wenn jemand sie frei legt, glättet, neu verleiht. Genau hier beginnt die Arbeit: Untergrund beurteilen, Schäden ausbessern, schleifen, grundieren. Woanders springt man direkt ans Werk. In Leipzig allerdings ist Vielseitigkeit gefragt. Ein Tag alte Stuckdecken, einen anderen Großformatvliestapeten oder schwindlig machende Digitaldruckmotive in Gründerzeithäusern.
Der Alltag? Mitnichten monotones Streichen von Bahn zu Bahn. Schon auf der Baustelle entscheidet Praxis über Theorie: Wie viel Vorarbeit braucht diese Wand wirklich? Hält das Zeug, was es verspricht? Und wehe, es wird gehetzt – dann leidet das Ergebnis (und die Laune). Klar, kleine Tricks und Kniffe machen irgendwann den Meister. Aber auch Berufseinsteiger sind oft schneller auf sich gestellt als gedacht.
Tapezieren, hm. In Leipzig balanciert der Beruf tatsächlich zwischen Tradition und Modernisierungskitsch. Die Stadt wächst, Wohnungen werden saniert, Lofts entkernen ist in. Gebraucht wird also kräftig: Handwerkspersonal ist knapp, gelernte Tapezierer noch knapper. Wer neu einsteigt, kann sich kaum über zu wenig Angebote beklagen. Aber Hand auf's Herz – Goldgräberstimmung sieht anders aus: Der Einstieg liegt im Bereich von 2.400 € bis 2.600 € für Gesellen, mit etwas Erfahrung durchaus 2.700 € bis 3.000 €. Orte, an denen mehr gezahlt wird? Selten, aber vorkommend – meist bei großen Projekten oder durch Zusatzqualifikation, sonst eher die Ausnahme, nicht die Regel.
Undurchsichtiger wird’s beim Thema Zusatzleistungen. Immerhin: Einige Leipziger Betriebe setzen inzwischen auf Weiterbildung, etwa im Bereich nachhaltiger Tapeten oder digitaler Wandgestaltung. Wer da flexibel bleibt, kann schnell zur unverzichtbaren Fachkraft im Team werden. Was viele unterschätzen: Gute Arbeit spricht sich herum. Im Zweifel dauert es eben ein paar Monate, bis sich Treue und Qualität auszahlen. Schnelle Wechsel? Möglich – nachhaltig wohl eher für die, die nicht immer mit dem Billigangebot winken.
Kommen wir zu den kleinen Fallstricken und Besonderheiten vor Ort. Leipzigs Altbaubestand – Segen und Fluch zugleich. Eine dreiviertel Zierleiste abgeschabt, darauf der Versuch, auf rissiger Wand Designer-Tapete zu applizieren. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen: Geduld und Kombinationsgabe sind gefragt, nicht nur Muskelkraft. Ich habe den Eindruck, dass sich in den letzten Jahren eine Art Tapezierer-„Avantgarde“ herausgebildet hat – teils gelernte Handwerker, teils Quereinsteiger mit gestalterischem Ehrgeiz. Inspiration an jeder Ecke, aber die Realität hat Zähne: Besonders in Szenevierteln entscheiden Kunden oft nach Instagram-Tauglichkeit. Ob das nun Segen oder nervige Mode ist? Ansichtssache.
Für viele aus der Region zählt dagegen Bodenhaftung: Qualität, Termintreue und Zuverlässigkeit schlagen jedes hippe Tapetendesign. Nur – Druck und Konkurrenz fordern ihren Preis, auch in der Zeitplanung. Keine Frage, die Arbeitswelt hat sich gewandelt: Wer nach Feierabend um fünf Uhr schon abschalten will, kann im Handwerk – naja, sagen wir: nicht immer mit Musterschüleranrufen rechnen.
Mag sein, dass der digitale Fortschritt manchen verschreckt oder lächeln lässt. Tatsache ist: In Leipzig experimentieren immer mehr Betriebe mit nachhaltigen Materialien, neuen Klebertypen oder sogar fugenlosen Wandbelägen. Wer mithalten will, muss lernen, sich weiterzuentwickeln – „lebenslanges Lernen“ klingt abgedroschen, ist aber Realität. Zugleich bleibt manches beim Alten: Tapezieren ist eben Handwerk, kein Konzeptpapier. Technik, Team, Zeitdruck – alles ist in Bewegung, manches bleibt einfach wie’s ist.
Bleibt am Ende die Frage, wie viel Leidenschaft man mitbringen muss. Ehrliche Antwort? Mehr als man denkt. Wer den Pinsel nur als Werkzeug sieht, wird in Leipzig kein Feuerwerk abbrennen. Wer aber ein Händchen für Material, ein Gespür für Räume und ein kleines Faible für Zwischenmenschliches entwickelt, kommt voran. Oder um es etwas pointierter zu sagen: Es ist kein Zuckerschlecken, aber wer Tapeten nur von Oma kennt, weiß nicht, was er verpasst.
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