Media University of Applied Sciences | Frankfurt
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Manchmal frage ich mich, ob meine Großtante damals mit ihrer Bemerkung ganz Unrecht hatte: „Politik ist doch bloß was für Labertaschen.“ Heute – mit einem akademischen Abschluss im Gepäck, irgendwo zwischen parlamentarischen Akten und den Schlaglöchern Frankfurter Pflaster, denke ich: Es ist mehr als das. Zumindest hier in Frankfurt, wo Politikwissenschaft ganz eigene Wege geht und sich der Alltag selten in schlichte Muster pressen lässt.
Die Bezeichnung klingt glatter als die Wirklichkeit. „Politologe“ – das meint nicht automatisch Think Tank oder Parteizentrale, sondern schwankt oft zwischen Analyse, Beratung, Stellungnahmen, Lehraufträgen und, ja, gelegentlich Kaffeekochen im Hinterzimmer eines politischen Amtes. Wer Politik in Frankfurt macht, landet selten im Elfenbeinturm. Stattdessen wird gefordert, mitzudenken, zu debattieren, kritisch zu filtern. Das breite Themenspektrum reicht von städtischer Integrationspolitik über Bürgerbeteiligung bis zu den Schnittstellen zwischen Finanzwirtschaft und Kommunalverwaltung. Klingt groß, ist es streckenweise auch – aber dazwischen liegt viel Alltagskleinklein, das man nicht im Vorlesungssaal lernt.
Wie sieht’s realistisch aus? Noch bevor man sich mit Ethik und Europarecht verheddert, begegnet man einer nüchternen Wahrheit: Politologen bleiben Exoten auf dem Frankfurter Arbeitsmarkt – vielseitig, flexibel, aber eben auch außerhalb der klassischen Berufsschubladen. Die meisten Aufgaben findet man in Beratungsstellen, Bildungsinstitutionen, bei Stiftungen oder – gewissermaßen mit Sportsgeist – im kommunalpolitischen Betrieb. Hätte man mich vor vier Jahren gefragt, ob „Politologe“ überhaupt ein Job ist, hätte ich gezweifelt. Heute weiß ich: Die Stadt ist schnell, die Themen wandeln sich, und plötzlich sitzt man in einer Gesprächsrunde mit Sozialarbeitern und fragt sich, ob es irgendwo eine Landkarte zur aktuellen Sozialpolitik gibt, die mehr zeigt als nur bunte Diagramme.
Theorie und Praxis – selten ein Liebespaar. Was viele unterschätzen: Das Gehalt. Bleibt man im Bereich wissenschaftlicher Mitarbeit, politischer Bildung oder städtischer Projektarbeit, bewegt sich das Monatsgehalt meist zwischen 2.700 € und 3.800 €. Öffentlich geförderte Stellen (Stiftungen, Initiativen, städtische Projekte) pendeln oft im unteren Bereich, während beratende Tätigkeiten für Wirtschaftsakteure oder NGO-nahe Projekte etwas bessere Aussichten bieten – sagen wir: 3.000 € bis 4.200 €, mit Glück und Netzwerk auch mehr. Aber: Frankfurt ist keine Stadt für Träumer, was Lebenshaltung angeht. Die Mieten – das eigentliche Reizthema. Wer am Main ein solides Auskommen sucht, sollte rasch die eigene Wertschöpfung kritisch prüfen. Oder eben lernen, mit weniger Geld mehr zu bewegen – politisch wie privat.
Frankfurt spielt sein eigenes Spiel. Globalisierte Börsenblase? Klar. Aber daneben wächst in Stadtteilen wie Höchst oder Gallus eine Politik „von unten“, die mit den klassischen Bank-Türmen so viel gemein hat wie ein Apfelwein mit Champagner. Politologen hier bewegen sich im Spagat zwischen internationalen Themen (Migrationsbewegungen, Finanzströme, transnationale NGOs) und bodenständigen Herausforderungen: Wie vermittle ich lokale Klimapolitik im Plattenbau? Wie finde ich Zugang zu migrantischen Communities, ohne mich zu verheddern im eigenen akademischen Jargon? Diese Ambivalenz fordert heraus – und macht den Beruf im besten Sinne beweglich.
Vielleicht liegt genau darin die Faszination. Politologe in Frankfurt zu sein – das heißt, ein bisschen Kulturscout, ein bisschen Pragmatiker, oft auch Krisenmanager im Kleinformat zu sein. Wer im Beruf bleiben will, schafft das nur mit dem berüchtigten „langen Atem“ und der Bereitschaft, immer wieder neue Perspektiven einzunehmen. Die Stadt bietet dafür erstaunlich viele Weiterbildungsoptionen: Workshops zu Stadtentwicklung, kurzweilige Open Lectures zu Digital Democracy, oder in den Abendstunden eine von diesen hitzigen Podiumsdiskussionen, aus denen man mit mehr Fragen als Antworten nach Hause geht. Ob das Beruf, Berufung oder einfach eine Frankfurter Eigenheit ist – schwer zu sagen. Aber reizvoll bleibt’s. Und, manchmal, überraschend sinnstiftend.
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