KdK Kita der Kulturen gGmbH | 10115 Berlin
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Wer einmal behauptet hat, dass Berlin nur Kunst, Clubs und Kanzleramt kann, der hat noch nie um sechs Uhr morgens im Halbdunkel einer weit draußen gelegenen Pferdeanlage einen Haflinger gesattelt. Der Berufsbereich Pferdepfleger in Berlin – eine Nische, gewiss, aber eine, die so gar nichts mit dem bärtigen Großstadthipster-Klischee gemein hat. Und doch, wer einmal hineingeraten ist – viel mehr: wer sich dafür entscheidet, dem geht der Geruch nach frischem Heu und Leder so schnell nicht mehr aus der Nase.
Die tägliche Routine im Berliner Stall hat zwei grundsätzliche Seiten: Auf der einen ein beständiges Band aus Aufgaben – Füttern, Ausmisten, Pflegen, Bewegungskontrolle. Und auf der anderen das Lebendige, Launische, Überraschende jeder einzelnen Kreatur. Pferde sind keine Maschinen, und Berlin ist keine Kleinstadtidylle. Wer meint, mit ein bisschen Tierliebe und Streicheleinheiten wäre es getan, irrt fundamental. Es braucht Wissen um Fütterungspläne, Stallhygiene, Verhaltensbeobachtung, Equidenrecht – ja, das gibt’s tatsächlich – und ein Händchen für schwierige Temperamente, vierbeinige wie zweibeinige.
Viele Neueinsteiger – ich spreche da teils aus Erfahrung, teils aus Gesprächen an der Raucherpause neben der Reithalle – merken rasch, dass körperliche Arbeit gefragt ist, und zwar mehr als selbst der größte Fitnessstudio-Enthusiast ahnt. Zehn Boxen entmisten? Klingt nach Routine, kostet Nerven. Zaghaft darf man da nicht sein, schon gar nicht in den ersten Wochen. Und ja, was wohl die meisten wissen wollen: Geld. In Berlin schwanken die Einstiegsgehälter abhängig vom Schwerpunkt (Sportpferde? Therapiehof? Reitschule?) irgendwo zwischen 2.200 € und 2.800 €. Mit Erfahrung, speziellen Zusatzaufgaben oder Verantwortung für Azubis kann das auch mal auf 3.000 € bis 3.400 € steigen. Alles auf Monatsbasis, versteht sich. Ob das im teurer werdenden Berlin ausreicht? Kommt drauf an. Pferdepfleger sind selten nur für den Kontostand am Stall.
Was mich immer wieder überrascht: Berlin ist auch pferdewirtschaftlich ein Flickenteppich. Da die hippe Eventanlage mit Instagram-Kulisse am östlichen Stadtrand, dort die traditionsreiche Anlage mit hözernen Stallungen und knurrigen Vorarbeitern, die seit 1989 eigentlich auf Rente gehen wollten. Der Zusammenhalt im Team ist Fluch und Segen: Kolleginnen, die stur ihre Wege gehen – oder die eine, die um Mitternacht anruft, weil das Fohlen über die Absperrung gesprungen ist. Digitalisierung? Na ja, der elektronische Futterplan setzt sich langsam durch, aber von „Smart Stable“ sprechen hier meist nur Ökokapitalisten mit Start-up-Vergangenheit. Wer moderne Arbeitsstrukturen sucht, muss genau hinschauen. Manchmal bringt ein Wechsel auf einen innovativeren Hof frischen Wind – und bessere Schichtmodelle. Aber die andere Seite: Selten nimmt einen das Stadtgefühl ganz gefangen, Vieles fühlt sich nach Randlage an. Den U-Bahn-Anschluss darf man getrost meistens vergessen.
Was oft unterschätzt wird: Die Weiterbildungslandschaft wächst. Zunehmend werden spezielle Kurse – von Tiergesundheit über Hufpflege bis zu ethischer Pferdehaltung – von landwirtschaftlichen Kammern, gelegentlich auch von den großen Ställen direkt, angeboten. Wer einmal das Gefühl für die Tiere entwickelt hat und die körperliche Belastung nicht scheut, kann sich ein Standbein schaffen, das krisenfester ist als es auf den ersten Blick wirkt. Gut, ein reines Schreibtischleben wird das nie – zehn Stunden stehen, laufen, bücken, das gehört dazu. Trotzdem: Ich wüsste keinen Ort, an dem urbanes Arbeiten und das kleine Abenteuer Natur so unmittelbar aufeinanderkrachen. Wer das nicht nur aushält, sondern möchte, der gehört vielleicht genau hierher.
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