Seeßle Fußgesund GmbH | 85435 Erding
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Das Klischee vom Meister, der in seiner Werkstatt entrückt an Gipsmodellen bastelt, ist spätestens in Lübeck passé. Klar, wer in den Beruf des Orthopädietechnikermeisters einsteigt, dem begegnet noch immer das staubige Skelett-Modell am Fenster, der Geruch von Leder und ein Hauch von Späne in der Luft. Doch der Alltag, wie ich ihn seit Jahren beobachte – und manchmal kopfschüttelnd begleite –, hat mit so manchen Altbildern nicht mehr viel zu tun.
Lübeck, die Stadt zwischen Marzipan und Medizintechnik, bietet eine spezielle Bühne: Hier verschmilzt eine uralte Handwerksdisziplin mit modernster Technologie. Schon wer zum ersten Mal einen Fuß über die Schwelle einer hiesigen Werkstatt setzt, lernt: 3D-Scanner sind keine Spielerei, sondern Alltag. Dennoch, ganz ehrlich – Tech-Faszination allein macht niemanden satt. Deshalb lohnt sich der nüchterne Blick auf die Voraussetzungen, die Chancen und die Stolperfallen dieses Berufs, gerade für Fachkräfte in der beruflichen Umorientierung.
Was viele unterschätzen: Orthopädietechnikermeister zu werden heißt, Ingenieursdenken und Empathie in Personalunion zu verkörpern. Du jonglierst mit Hightech-Scanner, CNC-Fräse und – ja, tatsächlich – fröhlich quietschenden Kinderprothesen. Der Moment, wenn ein Patient nach Monaten wieder aufrecht stehen kann, ist selten laut, aber fast immer ziemlich bewegend. Im direkten Draht zu Reha-Zentren, Kliniken und sogar lokalen Sportvereinen steht man zudem selten nur für sich allein im Raum. Teamkommunikation? Ist Pflicht, keine Zugabe.
Natürlich hat Lübeck seine eigenen Spielregeln. Im Vergleich zu Großräumen wie Hamburg wirkt der Arbeitsmarkt überschaubarer, aber: Die flache Landschaft hat ihre Vorteile! Wer Verantwortung, Abwechslung und einen engen Kontakt zu Kunden sucht, kommt hier schneller auf eine verantwortliche Position als anderswo. Das fängt beim Umgang mit jungen Azubis an, die – Hand aufs Herz – überraschend häufig Fragen haben, die man vor zehn Jahren selbst gestellt hätte. Und hört bei der Entwicklung individueller Werkstücke für neurologische Spezialfälle noch lange nicht auf. Der regionale Bedarf verlangt nach Vielseitigkeit, keine Frage.
Geld, ja. Ein umstrittenes Thema. Wer von astronomischen Gehältern träumt, sollte besser zur Elbphilharmonie wechseln. Wer aber solide, bodenständige Sicherheiten schätzt, ist in Lübeck nicht ganz falsch. Das typische Einstiegsgehalt pendelt zwischen 2.800 € und 3.300 € – Luft nach oben, wenn Spezialisierungen, Leitungsaufgaben oder ein eigenwilliger Innovationsgeist ins Spiel kommen, auf jeden Fall. Mit einiger Erfahrung und Verantwortungsbewusstsein sind auch Beträge zwischen 3.400 € und 4.000 € erreichbar, manchmal mehr, aber Wunder darf man keine erwarten. Lohn-Transparenz ist hier übrigens noch so ein eigenes Kapitel: Nicht überall wird offen über Geld geredet, aber Nachfragen lohnt – manchmal verblüffend.
Vielleicht der potenteste Treiber in Lübeck: Der technische Wandel. Hand aufs Herz – was in den 1990ern noch nach Tüftelei und Maßband klang, lebt heute von Digitalisierung, digitaler Modellierung und additiver Fertigung. 3D-Drucker, Software zur Gangbildanalyse und „smarte“ Materialien mischen das Berufsbild kräftig auf. Wer sich darauf einlässt, entdeckt überraschende Entfaltungsmöglichkeiten. Was dabei gerne vergessen wird: Fortbildung ist Pflicht, nicht Zier. Es gibt in der Hansestadt und per Fernweiterbildung einen ganzen Reigen an Kursen – Stützpunktmedizin, neue Fertigungsmethoden, Versorgungsmanagement. Wer den fachlichen Anschluss verpasst, hat in den kommenden Jahren wenig zu lachen. Das ist keine Drohung, eher eine kleine Vorwarnung aus Erfahrungswert.
Was bleibt? Lübeck bietet einen eigentümlich produktiven Spagat: Man ist mittendrin in der Region, fährt in zehn Minuten zur Ostsee, betreut im nächsten Moment Patienten, die sieben Stunden Anreise hinter sich haben – manchmal im medizinischen Grenzbereich. Für alle, die Wert auf echte Handwerkskunst, technisches Know-how und menschliche Nähe legen, ist das Berufsbild Orthopädietechnikermeister ein erstaunlich bodenständiger, aber alles andere als langweiliger Weg. Zwischen Werkbank, Scanner und Ostseebrise tritt man eben nicht auf der Stelle – vorausgesetzt, man hält die Augen offen und das Hirn im Wachzustand.
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