Wi-Med Bergmannstrost Unternehmensgruppe | Halle (Saale)
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Wer erwartet, dass ein Orthopädieschuhmachermeister jeden Tag nur in staubigen Werkstätten am Leisten werkelt, dem sei direkt widersprochen: Im Schatten des Händeldenkmals, mitten in Halle, ist dieser Beruf längst mehr als eine Frage von Leder und Werkzeug. Es geht um Anatomie, Technik und – nicht zu unterschätzen – ein ständiges Abwägen zwischen Tradition und Zeitgeist. Und ja, manchmal auch um die Frage, wie viel Handarbeit im digitalen Zeitalter überhaupt noch wertgeschätzt wird. Aber von vorn.
Ein Tag in diesem Beruf beginnt selten mit Routine und endet fast nie mit dem Gefühl, alles erledigt zu haben. Es sind die kleinen Momente, in denen einem klar wird, warum man die Meisterschule nicht umsonst besucht hat. Da kommen Menschen mit Schmerzen, mit Fehlstellungen, mit Geschichten, die man manchmal schon nach dem ersten Schritt durchs Ladentürchen erahnt. Man prüft, vermisst, korrigiert. Und dann setzt man sich – der Computer läuft inzwischen nebenher –, nimmt Material zur Hand, formt, näht, justiert. Handgemacht? Ja. Reine Handarbeit? Fast. Das ist kein Widerspruch, sondern der aktuelle Stand der Dinge. Trotzdem: Den Fuß „versteht“ keine Maschine wirklich, das lehrt hier jeder Arbeitstag.
Was in Halle charmant altmodisch wirkt, hat mit der Realität des Marktes zu tun. Anders als in westdeutschen Großstädten, wo Ketten den Markt dominieren, geht hier Individualität noch vor Masse. Persönliche Beratung? Wird in Halle tatsächlich verlangt, nicht bloß angekündigt. Der Nachwuchs ist rar – ein offenes Geheimnis. Fachkräfte? Umworben wie zu besten Zeiten. Der Zuzug junger Menschen, teils aus Osteuropa, hält die Werkstätten am Laufen. Wer praktische Fähigkeiten mitbringt, ein Händchen für Mensch und Material hat und sich fachlich weiterbilden will, dem stehen die Türen sperrangelweit offen. Wobei – ich gestehe: Ein bisschen Geduld braucht es, gerade bei älteren Kundschaften, die Veränderung erstmal kritisch beäugen. Aber das ist Teil des Spiels.
Was viele unterschätzen: Orthopädieschuhmacher arbeiten schon lange nicht mehr nach Schema F. Digitalisierte Messverfahren, CAD-Modelle, 3D-Druck – das alles gibt’s auch in Halle, wenngleich manchmal mit einer Prise ostdeutscher Pragmatik. „Warum soll der Computer alles entscheiden?“ fragt ein Kollege, während er trotzdem Daten am Bildschirm prüft. Man lernt, beides zu kombinieren. Wer Herz für Technik mitbringt, ist im Vorteil. Wer sich nur auf traditionelle Methoden verlässt, steht allerdings schneller alt da, als ihm lieb ist. Und wie steht’s um das liebe Geld? Nun, im Osten ist vieles günstiger – nur nicht die Arbeit am Menschen. Einstiegsgehälter um die 2.500 € bis 2.900 €, mit Erfahrung und Spezialisierung gerne darüber, gerade in gefragten Nischen oder eigener Verantwortung. Reich wird hier keiner, aber über Wasser halten? Durchaus, mit Perspektive.
Nicht wegzudiskutieren: Der demografische Wandel schiebt immer mehr „lauffaule“ Patienten ins Geschäft – Arthrose und Diabetes kennt man hier gut. Gleichzeitig kämpft man – welch Ironie – mit der Bequemlichkeit günstiger Fertigprodukte. Sprich: Wer sich als Orthopädieschuhmachermeistern den Rücken für Billigschuhe vom Discounter krumm macht, geht unter. Beratung, Individualität, echte Problemlösung – das sind die Trümpfe. Hier in Halle ist das (noch) Alltag. Ob das ewig so weitergeht? Vielleicht. Oder es braucht, mal wieder, eine Erfindung, die alles umkrempelt. Manchmal fragt man sich: Wie reagieren wir auf noch mehr Digitalisierung, auf Gesundheitsapps, auf wachsenden Kostendruck? Ich weiß es nicht abschließend – aber ich weiß, dass ein Paar passender Schuhe von ehrlicher Handarbeit bleibt, auch wenn der Mensch daneben schon das nächste Update plant.
Alles in allem: Wer sich für das Handwerk begeistert, Lust auf Menschen hat (mit all ihren Macken), und bereit ist, technische Entwicklungen nicht nur skeptisch zu beäugen, sondern sie einzubeziehen, der findet in Halle (Saale) ein Umfeld, in dem man gestalten kann – mit Kopf, Herz und vor allem: Hand. An guten Tagen jedenfalls. Und an schlechten? Nun, auch da gibt’s Schlimmeres als den Geruch von frischem Leder am Morgen.
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