Wi-Med Bergmannstrost Unternehmensgruppe | Halle (Saale)
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Wenn ich morgens die Werkstatt betrete – Chemnitzer Stadtrand, alter Industriecharme trifft auf neue Maschinen – denke ich manchmal: Dieser Beruf ist mehr Handwerk, als Außenstehende je vermuten würden. Und gleichzeitig steckt in den feinen Details, in den kleinen grauen Partikeln am Boden, ein Stück Hightech, das viele schlicht übersehen. Orthopädieschuhmachermeister: Ich gebe zu, für manche klingt das nach bleierner Tradition, nach Leder und Leisten, nach Handarbeit, die vielleicht schon zu viel gesehen hat und zu wenig Innovation wagt. Doch genau hier – hier in Chemnitz – beweist der Beruf das Gegenteil.
Es geht nicht um die goldene Urkunde an der Wand, sondern ums Zusammenspiel aus altem Wissen und dem Mut, Neues zu versuchen. Wirklich: Wer den Meistertitel trägt, steht mit einem Bein im klassischen Handwerk – individuelle Anfertigungen, Maßarbeit, Präzision, das ewige Spiel mit Material und Passform. Das andere Bein aber steckt im digitalen Zeitalter: Moderne Fußscanner, CAD-gestützte Modellierung, 3D-Druck für Prototyp-Formen. In Chemnitz, einer Stadt, die sich immer wieder selbst erfindet, trifft diese Mischung auf offene Ohren – zumindest bei Kundschaft, die nicht nur nach optischen Korrekturen fragt, sondern nach echter Lebensqualität. All das erfordert viel technisches Verständnis, aber auch eine Sorte Empathie, die man nicht einfach nach Plan lernt.
Wer neu einsteigt oder den Sprung wagt, vielleicht sogar aus einer anderen Ecke des Handwerks kommt, erlebt zunächst Staunen: Jeden Tag steht jemand anderes vor einem, braucht Hilfe, hat Beschwerden. Manche sind freundlich, einige skeptisch, ein paar kommen mit zwanzig Jahren Orthesen-Erfahrung und kennen jeden Trick. Das eigentliche Handwerk beginnt oft mit Zuhören, erst dann folgt das Messen, Anpassen, Korrigieren. Und ja, es gibt Tage, an denen die Hände so voller Staub sind, dass das Handybildschirm nicht mehr auf Entsperren reagiert – was vielleicht gut ist. Aber schon am nächsten Tag baut man ein Paar Schuh-Einlagen mit Sensorik, die am Rechner Daten ausliest. Nicht selten mischt sich dabei Faszination mit Überforderung, ich geb’s zu. Das ist keine Raketenwissenschaft – aber eben auch kein Spaziergang.
Das Geld. Muss man wirklich drüber reden? Gemessen an Verantwortung und Vielseitigkeit liegt das Einstiegsgehalt in Chemnitz meist zwischen 2.500 € und 2.800 €, erfahrene Meister landen auch mal bei 3.200 € oder mehr. Klar, die Bandbreite ist groß. Wer sich mit Zusatzqualifikationen – z. B. Diabetesversorgung oder digitaler Orthopädie – ausstattet, kann mit 3.400 € bis 3.600 € durchaus rechnen. Und mal ehrlich: Wer die wirtschaftlichen Spielregeln durchschaut, sich mit regionalen Kassenmodellen arrangiert und vielleicht einen kleinen eigenen Kundenkreis pflegt, der hat Luft nach oben, mehr als viele denken. Einfach ist es trotzdem nicht. Die Bürokratie, die Kalkulation – das alles frisst Zeit, oft viel mehr, als man es vorher ahnt.
Manche sagen, Chemnitz sei ein schwieriges Pflaster für alles Abseitige oder Hochspezialisierte. Vielleicht stimmt das, vielleicht aber auch nicht. Der Mix aus alter Handwerkstradition, günstigen Gewerberäumen – noch gibt es sie – und der wachsenden Nachfrage nach individualisierter Gesundheitsversorgung, schafft eine eigene Dynamik. Immer öfter kommen auch jüngere Patientinnen und Patienten in die Werkstatt. Beschwerdebilder ändern sich: Büroalltag, Digitalisierung, wenig Bewegung. Fußprobleme, die mit fünfzig Jahren selten waren, treffen jetzt schon Dreißigjährige. Für uns als Fachkräfte ist das eine Herausforderung. Klar, neue Fertigungstechnologien sind teuer, aber der Markt verlangt genau das – auch hier in Sachsen. Manchmal fragt man sich, ob nicht gerade darin die Zukunft liegt: Nicht alles wie früher machen, sondern gerade in der eigenen Nische innovativ denken.
Trotz aller Klagen über Papierkram, steigende Materialpreise oder die Unwägbarkeiten beim Gesundheitswesen – am Ende bleibt eines: das besondere Gefühl, etwas geschaffen zu haben, das wirklich gebraucht wird. Orthopädieschuhmachermeister in Chemnitz zu sein, heißt zwischen Nahbarkeit und Professionalität zu balancieren. Es heißt auch, manchmal Umwege zu gehen, bei krummen Zehen und widerspenstigen Abrechnungsformularen. Aber das ist es wert. Das Handwerk hält einen lebendig, fordert und verändert – und bietet mehr Perspektiven, als eine Zahl auf dem Gehaltszettel je ausdrücken könnte.
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