Sauerland Stern Hotel | 29614 Willingen
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Sauerland Stern Hotel | 29614 Willingen
Wer heutzutage in Kassel als Oberkellner einsteigt – sei es geradewegs von der Hotelfachschule, als Routiniert-Wechselwilliger aus Frankfurt kommend oder aus purer Neugier auf neue Herausforderungen –, ist von Anfang an auf einem Hochseil unterwegs. Kein Netz. Dafür ein Publikum, das hin und wieder aus der Fassung gerät: Gäste mit klaren Vorstellungen, Chefs, die Umsätze sehen wollen, und ein Team, das – nennen wir es vorsichtig – so bunt ist wie die Region selbst. Alles übrigens typisch für diesen Beruf, der viel mehr ist als einfach die bessere Kellnerstelle mit Anstecknadel, Krawatte und dem berühmten „Chef-vom-Ganzen-Saal“-Feeling.
Auf dem Papier klingt die Stellenbeschreibung oft harmlos: Verantwortung fürs Team, Organisation der Abläufe, Schnittstelle zwischen Service und Küche, letztlich Qualitätssicherung. Das klingt, als ließe sich das abarbeiten wie ein Lehrplan. Aber mal ehrlich – das stimmt nur so halb. In Kassel, wo Traditionshäuser wie das Brüder Grimm-Hotel ehrbaren Service großschreiben, wird von Oberkellnern eine Sattelfestigkeit verlangt, wie sie andere Berufe nur andeuten: Wer hier die Karten verteilt, muss nicht nur wissen, was Sous-vide ist, sondern darf auch montagsmüde Auszubildende neustarten, Spezialgäste entschärfen (Stichwort Gluten-„Allergie“) – und dabei geistesgegenwärtig bleiben, falls die Technik aus dem Takt gerät.
Ja, Kassel ist keine Weltstadt mit Michelin-Gastronomien an jeder Ecke, aber unterschätzt mir bloß das Publikum nicht! Hier treffen Wanderfreunde aus der Rhön auf IT-Beraterinnen im Homeoffice-Modus – und der Hauch von documenta-Ausnahmezustand ist nie ganz weg. Oberkellner müssen in Kassel nicht nur geschliffen bedienen, sondern regionale Feinheiten lesen: Das beginnt beim grünen Soßengrinsen älterer Damen und endet bei Gästen, die plötzlich „auf Hessisch“ bestellen. Wer mit persönlicher Wärme, aber klarer Autorität auftritt, wird schnell für unverzichtbar gehalten – aber wehe, man ist zu forsch, dann gibt’s auch schon mal ein Kopfschütteln von der Chefin. Hinzu kommen die wirtschaftlichen Kurven: Corona-Nachwirkungen, steigende Gästeerwartungen an Hygiene und nachhaltige Konzepte – alles liegt hier gerade übereinander. Ob das Kräftespiel zwischen Tradition und Moderne letztlich Chancen für Einsteiger oder eher das Gegenteil ist? Momentan fühlt es sich nach beidem an.
Reden wir nicht drum herum: Einstiegsgehälter bewegen sich in Kassel meist zwischen 2.500 € und 3.200 € – mit etwas Glück, Trinkgeld und Engagement geht auch mehr. Richtig fair? Tja, das hängt von Betrieb, Erfahrung und – Hand aufs Herz – auch vom eigenen Verhandlungsgeschick ab. Was viele unterschätzen: Die Zusatzleistungen sind oft das Zünglein an der Waage (Überstundenregelung, Zuschläge, Sonderbehandlung bei Dienstplänen, Kostenübernahme für Weiterbildungen). Und weil die Konkurrenz um fähige Oberkellner zunimmt, sind attraktive Arbeitgeber zunehmend bereit, mehr zu bieten als einen „Teller Zuschlag“ obendrauf. Aber: Wer ernsthaft Karriere machen oder das eigene Aufgabenfeld vertiefen will – etwa Richtung Eventorganisation oder Management –, muss den Drahtseilakt zwischen Tagesgeschäft und Weiterbildung meistern. Leicht ist das nicht, vor allem wenn die Personalsituation mal wieder so dünn ist wie die Brühe am Saisonende.
Was bleibt konkret übrig, außer flotte Beine und gute Nerven? Weiterbildung, klar. In Kassel gibt es durchaus Angebote – von Barista-Seminaren bis zu modernen Führungskursen. Ein kurzer Anruf in der IHK kann so manchen Horizont erweitern (und nebenbei: Karrierechancen erhöhen). Interessant finde ich, wie viele Kollegen zunächst skeptisch sind und sich dann ärgern, dass sie nicht längst ein digitales Kassensystem-Kompakttraining besucht haben. Tatsächlich scheint gerade im Umfeld von Digitalisierung, Fachkräftemangel und Nachhaltigkeit so manches neu auf der Speisekarte zu stehen. Dennoch – nicht jede Schulung löst das Alltagsproblem, im entscheidenden Moment mit ruhiger Hand und klarem Blick zu reagieren. Oder, wie ein Altmeister mal zu mir sagte: „Papier ist geduldig, aber der Gast ist’s nicht.“ Das unterschreibe ich jederzeit.
Wer sich ehrlich auf das Abenteuer „Oberkellner:in in Kassel“ einlässt, bekommt mehr als Dienst nach Vorschrift. Es geht – vor allem hier – um Balance: Eigenständigkeit, Erfahrung, Menschenkenntnis sind gefragt. Wer sich im regionalen Gemisch aus Tradition und Moderne wohlfühlt, bringt die besten Voraussetzungen mit. Als Berufseinsteiger oder Wechselwilliger steht man oft zwischen den Stühlen. Aber vielleicht ist das gerade die einzige Bühne, auf der Gastfreundschaft und Führungswillen so unmittelbar gefragt sind wie in Kassel – zwischen Schmand, Stolz und einer Prise Unvorhersehbarkeit. Und ist das nicht, was den Beruf am Ende spannend macht?
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