OCCIDENTAL DRESDEN NEWA | 01067 Dresden
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OCCIDENTAL DRESDEN NEWA | 01067 Dresden
Manchmal, ganz ehrlich, frage ich mich, warum in Cottbus ausgerechnet die Oberkellner so was wie das Rückgrat der Gastronomie sind. Vielleicht, weil man in einer Lausitzer Stadt mit knapp 100.000 Köpfen nicht einfach irgendwo anonym abtauchen kann – hier kennt man sich, lacht, schimpft, rutscht auch mal aus der Rolle. Und wer, wenn nicht der Oberkellner, steht mittendrin? Nicht immer glanzvoll, manchmal zwischen Stammgästen, Azubis mit eigenen Vorstellungen und Touristen, die gern das „echte Brandenburgische“ kosten wollen.
Das Klischee vom „Gedrückten Tablettenträger“ kann man gleich wieder weglegen. Als Oberkellner in Cottbus ist man längst mehr als die elegante Servicekraft. Klar, der Anzug sitzt, das Lächeln sollte zumindest morgens noch nicht zu sehr schmerzen – aber der wahre Kern: Organisation, Menschenführung, Feingefühl fürs richtige Timing. Dienstpläne, Konfliktgespräche, Nachbestellungen, Serviceschulungen – das alles wandert konstant zwischen den Synapsen. Soundtrack: Stimmengewirr, Kaffeemühle, ab und zu ein nörgelnder Gast („Ist die Soljanka heute wieder bisschen zu dünn?“). Ein Beruf für Leute, denen Routine zu langweilig ist und die trotzdem gerne System im Chaos schaffen.
Jetzt mal Butter bei die Fische: Die Stadt ist nicht Berlin-Mitte oder Dresden-Altstadt, auch wenn es manchmal so wirken soll (zumindest beim mittäglichen Business-Buffet). Junge Leute ziehen gern mal weg, internationaler Tourismus ist solide, aber nicht atemraubend. Aber es gibt sie, diese Traditionshäuser mit Familiengeschichten, Szenekneipen, Newcomer-Bistros – und überall denselben Bedarf: jemanden, der Überblick hat, deeskaliert, motiviert. In Cottbus kann das Tempo im Service schlagartig anziehen, wenn Konzertbesucher aus dem Staatstheater um neun den zweiten Wein ordern und die Spätschicht daneben Tisch 15 neu eindecken muss. Wer hier souverän bleibt, hat Nerven wie Drahtseile.
„Was verdient man denn hier so?“ Die Frage brennt vielen, die überlegen, in der hiesigen Gastronomie Fuß zu fassen, verständlicherweise auf der Seele. Realistisch gesagt: Das Gehalt startet häufig bei etwa 2.300 € und pendelt sich mit etwas Erfahrung zügig im Bereich von 2.700 € bis 3.200 € ein, wobei in guten Häusern – je nach Verantwortung, Größe und Umsatz – auch mal mehr drin sein kann. Ist das viel? Darüber lässt sich streiten, denn die Arbeitszeiten, Wochenenden und Spitzenbelastungen knabbern schon mal an privaten Ressourcen. Trotzdem: Die Chance, schnell in Führungsaufgaben zu wachsen, ist real, gerade weil der regionale Markt beständig nach qualifizierten Kräften sucht. Eine abgeschlossene Berufsausbildung in Hotellerie oder Gastronomie ist meist Pflicht – und der Weg zur Restaurantleitung liegt förmlich auf dem Tablett, wenn man sein Handwerk versteht und sich nicht aus dem Tritt bringen lässt.
Ich habe in letzter Zeit beobachtet, dass selbst Traditionsrestaurants langsam auf digitale Bestell- und Abrechnungssysteme umstellen. Tja, Tablets, Bonprinter und Co. sind natürlich keine Zauberei – selbst mit gelegentlichem WLAN-Ausfall. Der eigentliche Unterschied bleibt das, was so mancher Chef schlichtweg „Menschenkenntnis“ nennt: Ob man einen Gast nach dem dritten Bier mit Namen begrüßt, die Spezialitäten wie aus der Pistole präsentiert oder eben schneller merkt, wann sich das Team im Stress aufreibt. Technik kann Vieles erleichtern, aber sie ersetzt nicht den berühmten Cottbuser Smalltalk am Tresen oder das Bauchgefühl für Zwischentöne.
Das Bild, das der Beruf als Oberkellner hier abgibt, ist weder von Nostalgie noch von ständiger Innovation geprägt. Es ist schlicht das Bild eines Handwerks, das Herz, Übersicht und manchmal – ja, so ist das – einen Hauch Dickköpfigkeit verlangt. Wer sich auf die regionale Eigenart Cottbus einlassen kann, erlebt ein Arbeitsumfeld, das fordert, aber auch auffängt. Ist der Job leicht? Nicht im Geringsten. Aber wer nach handfesten Aufgaben, Kontaktfreude und ehrlicher Wertschätzung sucht, wird selten so direkt, so klar und zugleich so herausfordernd gebraucht wie im Hier und Jetzt der Cottbuser Gastronomie.
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