PORR GmbH & Co. KGaA | 33311 Gütersloh
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Wer in Gelsenkirchen ernsthaft über Mauern nachdenkt, landet erst beim Ruhrgebietsklischee: Schornsteine, Zechenhäuser, endlose Fassaden aus Backstein. Doch schaut man genauer hin, irgendwo zwischen jahrzehntealten Grubensiedlungen und moderner Stadtsanierung, stößt man auf eine Disziplin, die im Verborgenen mehr Einfluss hat, als man ahnt: Restaurierung im Maurerberuf.
Restaurierende Maurer in Gelsenkirchen stehen selten im Rampenlicht – zu Unrecht. Während in anderen Branchen von „Innovation“ die Rede ist, ist hier häufig die Kunst der behutsamen Rückführung aufs Ursprüngliche gefragt. Wer glaubt, das sei Routine, der irrt. Altes Sichtmauerwerk aus dem Jugendstil, hervorgeholt unter Jahrzehnten von Fassadenputz, will ganz anders behandelt werden als der Nachkriegsziegel von 1961 nebenan. Jeder Stein erzählt seine eigene, manchmal widerspenstige Geschichte. Und plötzlich merkt man – das ist keine Fließbandarbeit, sondern oft ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Historie. Mal bröckelt etwas, das nicht bröckeln soll. Mal taucht beim Öffnen einer Fuge ein überraschendes Bauteil auf – Archäologie im Alltag, sozusagen.
Wer frisch im Beruf steht, spürt hier schnell: Theorie und Praxis sind zwei Schichten, die sich nur mit Geduld und Handgefühl verbinden lassen. Nichts läuft nach Schema F. Alte Mörtelrezepturen – mal Kalk, mal Zement, dazwischen Sand mit seltsamen Bestandteilen – fordern echte Neugier. Ohne Respekt vor der Substanz geht hier nichts, aber ganz ohne Respekt vor der eigenen Intuition auch nicht. Die große Kunst besteht darin, zu wissen, wann tradiertes Wissen zählt – und wann Experimentierfreude gefragt ist. Ein paradoxes Feld: Du bist nie ganz Experte, aber auch nie ganz Laie. Vielleicht gerade deshalb zieht es Leute an, die nicht nach bloßem Abriss und Neubau, sondern nach der Verbindung von Alt und Neu suchen. Oder, um das Klischee mal umzudrehen: Wer Spaß am Um-die-Ecke-Denken hat, ist hier richtig.
Die Nachfrage? Schwankend, aber stabil – eine absurde Kombination, die man nur im Ruhrgebiet so kennt. Der Gebäudebestand schreit förmlich nach Erhalt. Kommunen planen, investieren, sparen dann wieder, starten doch noch ein Sanierungsprojekt und streiten über Vorschriften. Viele Betriebe suchen Hände und Köpfe, die sich auf Altbauten einlassen. Die Kehrseite: Nicht immer glänzt die Bezahlung wie frisch verfugter Klinker. Berufseinsteiger kommen meist auf 2.400 € bis 2.700 €, mit Erfahrung sind 2.800 € bis 3.200 € drin, selten auch mehr. Das klingt vielleicht erstmal ernüchternd – aber was selten klar gesagt wird: Die Nische zahlt sich langfristig oft durch eine gewisse Arbeitsplatzsicherheit und echte Spezialisierung aus. Und ein gewisser Stolz, morgens anzutreten und zu wissen, dass das Bauwerk nach Feierabend irgendwie „mehr Gelsenkirchen“ ist als jedes Neubaugebiet.
Digitalisierung? Ein langsam einrollender Zug. Bei manchen Betrieben landen Messdaten noch per Hand in den Block, während andere Smartphones als Arbeitswerkzeug etabliert haben. Aber, und das ist meine Beobachtung: Die heimliche Disziplin bleibt das richtige Anmischen, das Gespür für Farbe und Konsistenz. Technische Neuerungen – etwa im Bereich feuchter Mauern oder bei speziellen Fugentechniken – wirken eher unterstützend als revolutionär. Der wahre Schatz liegt in der Erfahrung vor Ort. Wer sich auf die Vielfalt des Bestands einlässt, der wächst an den Aufgaben – auch, weil es schlichtweg kein Bauwerk gibt, das sich bedienen lässt wie das vorherige.
Manchmal frage ich mich, warum so wenige den Weg in die Restaurierungsarbeit als Maurer finden. Vielleicht, weil sie unterschätzen, wie viel Spielraum für eigenes Urteilsvermögen und – ja – echten Gestaltungswillen dieser Beruf bietet. Es ist ein nahbarer, greifbarer Beruf. Nicht immer glänzend, oft schmutzig, manchmal schwerfällig und voller historischer Anfälle – aber selten langweilig. Wer bereit ist, sich einzulassen, wird in Gelsenkirchen keinen Standardjob finden, sondern eine Aufgabe, die mehr mit Spürsinn, Geduld und der Liebe zum Detail zu tun hat als mit reiner Muskelkraft. Solche Nischen – ehrlich gesagt – braucht jede Stadt. Auch das Ruhrgebiet.
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