OMEGA SORG GmbH | Waldheim
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Wer sich heute als frischgebackene Konditormeisterin oder –meister in Halle (Saale) auf das Abenteuer Berufseintritt einlässt, spürt schnell: Das hier ist nicht Berlin oder München, und das ist gar nicht so schlecht. Halle hat seine Ecken, seine Eigenarten – und eine Stadtgesellschaft, die auf den Sonntagscappuccino mit frischer Torte mehr hält als auf lauwarme Kettenbackware. Klingt romantisch. Klingt nach: „Hier bin ich Mensch, hier kann ich backen.“ Die Praxis? Ein wenig bunter, widerborstiger vielleicht. Mit Zweifeln, Aufbrüchen und – manchmal – messbarer Begeisterung. Also: Wovon hängt’s ab, ob man in der Saalestadt als Konditormeister glücklich wird?
Es sind die alteingesessenen Häuser, die der Stadt noch ihre süße Handschrift verleihen. Keine zehn Minuten Fußweg am Marktplatz, schon wird deutlich: Hier trifft Sächsisch-Thüringer Backtradition auf eine jüngere, mitunter internationale Kundschaft, die vegane Sachertorte einfordert – oder wenigstens glutenarm. Die Auftragslage variiert wie das Wetter im Januar. Als Berufseinsteigerin wird man schnell in alles geworfen: Dekorieren, Kalkulieren, Rezepte improvisieren, Lieferengpässe abfedern – und nebenbei noch Azubis einweisen, falls es überhaupt welche gibt. Ganz ehrlich: Manche Tage fühlen sich an wie ein 12-stündiger Staffellauf durch Tortenschlachten und Vitrinengewitter. Und dann stehen die Stammgäste da. Diese Mischung aus Wertschätzung und – sagen wir: liebevoller Strenge – hat schon manchen überwältigt.
Gibt es ein „typisches Gehalt“ in Halle? Kaum. Wer im inhabergeführten Betrieb startet, sieht sich meist irgendwo um die 2.300 € bis 2.800 € monatlich, je nach Erfahrung und Verantwortlichkeit. Wer schon Leitungserfahrung, Spezialwissen (z. B. zu Allergenen oder Pâtisserie) mitbringt, kann auch 3.000 € oder mehr aufrufen – wobei: Es bleibt oft beim Traum, jedenfalls außerhalb von Hotelkonzernen. Die Inflation nagt auch hier, Strom und Rohstoffe sind 2024 Luxus ohne Etikett, und Kneifzange: Wer jetzt kreativ kostet, gewinnt. Ist das zu pessimistisch? Nein – ich finde, Realismus hilft beim Durchhalten.
Was viele unterschätzen: Digitalisierung ist in den Hallenser Backstuben angekommen, allerdings eher als zäher Dauerlauf. Kassensysteme, Rezeptdatenbanken, Warenwirtschaft – klar, vieles wurde umgestellt, aber Papier und Zettelwirtschaft, vor allem im Familienbetrieb, sind zäh. Die Jüngeren fragen sich, ob Instagram-Pralinen den Umsatz wirklich treiben oder bloß das Ego polieren. Manche Chefin, mancher Chef staunt noch über die Online-Reservierung, andere erfinden den Lieferdienst per Lastenrad neu. Es gibt keinen Königsweg. Wer hier neugierig bleibt und keine Angst vor Social Media-Experimenten hat, ist klar im Vorteil.
Ein realistischer Blick auf die Ausbildungslage: Viele Betriebe hätten gerne Nachwuchs, aber: Die Ausbildungszahlen gehen zurück, der Altersdurchschnitt steigt – auch in Halle. Feiertage, Samstage, manchmal ein mürrischer Kunde – das schreckt ab. Was schade ist. Denn: Wer die Ausbildung durchzieht und den Meister macht, steht allemal auf stabileren Füßen als zwischen Zeitarbeitsjob und Callcenter-Lotterie. Vielleicht gibt’s hier – zwischen historischen Altbaufassaden, dem Trotz der Älteren und dem Appetit der Kinder auf Frischgebackenes – mehr Zukunft als auf den ersten Blick sichtbar.
Die Leidenschaft fürs Handwerk rettet einen hier wie anderswo durch die raueren Phasen. Es sind die klammen Finger beim Marzipanformen im Winter, die knappe Kalkulation am Monatsende, aber dann auch: das schlichte Lächeln eines Kunden, der fragt, ob „noch was da ist aus Omas Zeiten“. Wirklich zukunftssicher? Schwer zu sagen. Aber: Konsum, Küche, Kreativität – in Halle (Saale) gibt’s da mehr Schnittmengen als Neinsager glauben. Wer das durchhält, dem winkt nicht das große Geld, oft aber ein Stück Lebenssinn mit Zuckerguss. Manchmal fragt man sich, ob das reicht. Ich finde: Es kommt darauf an.
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