Kinderhäuser Steinhagen gGmbH | 33311 Gütersloh
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Vieles in diesem Berufsfeld wird unterschätzt – vermutlich, weil man kaum herausposaunt, wie anstrengend und vielschichtig der Alltag eines Heilerziehungspflegehelfers sein kann. Klar, Kassel ist nicht Berlin, aber auch hier tobt der Sozialsektor; gerade im Bereich der Behindertenhilfe wird das deutlich. Wenn ich an meine ersten Tage im Beruf zurückdenke, kommt mir ein Bild wie aus einem ungeschönten Dokumentarfilm in den Kopf: Echten Alltag, keine PR-Broschüre.
Was macht den Job eigentlich aus? Kurz gesagt: Alltagsgestaltung, Assistenz, Unterstützung bei Pflege, Förderung und Begleitung von Menschen mit Behinderung – und das oft quer durch sämtliche Lebensbereiche. Mal räumt man impulsiv Duschutensilien aus dem Weg, dann wiederum lernen wir gemeinsam, wie man eine Straßenbahn in Kassel pünktlich erwischt. In der Praxis bedeutet das: Hände anpackend, Herz offen, Nerven stabil. Wer dagegen meint, Empathie allein reiche, der hat es nie erlebt, um sieben Uhr morgens eine Gruppe Jugendlicher, von denen keiner Lust auf Frühstück hat, durch das Tagesprogramm zu lotsen.
Was viele außen vor lassen: In Kassel ist der Arbeitsmarkt für Heilerziehungspflegehelfer angespannt – und das nicht erst seit gestern. Träger aus Stadt und Landkreis suchen dringend motivierte Fachkräfte für Wohngruppen, Tagesförderstätten und ambulante Wohnformen. Das Einstiegsgehalt? Es bewegt sich meist zwischen 2.500 € und 2.800 €. Mit wachsender Berufserfahrung und Weiterbildung lässt sich das nach oben schieben; in Einrichtungen, die sich an Tarife des öffentlichen Dienstes halten, sind auch 3.100 € bis 3.400 € keine Utopie mehr. Kurz: Kein Vermögen, aber doch mehr, als viele glauben. Am Anfang jedenfalls reicht es zum Leben in Kassel – wenn man bereit ist für Schicht- und Wochenenddienste. Ja, auch das: Frühschicht an Heiligabend, Spätdienst am Sonntag, das gehört zur Realität.
In Kassel – ich spreche jetzt aus Erfahrung – ist die Vielfalt der Arbeitsorte bemerkenswert. Es gibt die großen Träger mit stationären Einrichtungen an der Fulda, kleinere betreute Wohnprojekte in Rothenditmold, gemeinnützige Initiativen, die sich nicht scheuen, in vernachlässigte Quartiere zu ziehen. Zum Teil ist die Ausstattung besser als ihr Ruf – der Modernisierungsschub der letzten Jahre, man merkt ihn. Digitalisierung? In der Dokumentation, ja, aber im Alltag zählen nach wie vor Hand, Kopf und Präsenz. Wer gern Stechuhr drückt oder Fließbandarbeit sucht, ist hier fehl am Platz: Spontanität, Flexibilität und eigene Ideen sind keine Kür, sondern Notwendigkeit.
Es gibt Tage, die sind wie aus dem Lehrbuch. Und dann gibt es den Rest – also, die echten Herausforderungen: Plötzliche Aggressionen, ungeplante Ausfälle im Team, Angehörige, die Gespräche manchmal nicht führen wollen. Da kommt dann das, was man Resilienz nennt, zum Tragen – und irgendwann auch die professionelle Distanz. Ohne die geht man unter, ganz ehrlich. Andererseits: Wer einmal miterlebt hat, wie jemand nach Monaten zum ersten Mal wieder selbstständig zur Bushaltestelle geht, weiß, warum man das macht. Schönreden bringt es nicht, aber unterschlagen will ich dieses Erlebnisgefühl auch nicht.
Perspektivisch ist die Branche in Kassel keine Sackgasse. Im Gegenteil. Weiterbildungsmöglichkeiten sind vorhanden: Wer sich nach ein, zwei Jahren entscheiden will, die Qualifikation zum Heilerziehungspfleger draufzusetzen, hat etliche Wege offen. Besonders seit einige Träger in Nordhessen gezielt intern fördern oder Bildungsfreistellungen anbieten – das war vor zehn Jahren noch nicht denkbar. Sind die Rahmenbedingungen immer perfekt? Natürlich nicht. Aber es gibt Bewegung, teils mit kleinen Schritten, manchmal auch gegen die eigene Trägheit im System.
Mein Fazit? Wer pragmatisch, zupackend und neugierig auf Menschen ist, findet in Kassel als Heilerziehungspflegehelfer keine Routine – aber echten Gestaltungsspielraum. Und eine Art Wertschätzung, die selten auf Plakaten steht, dafür aber manchmal morgens in einem Kopfnicken zwischen zwei Kollegen aufblitzt. Klingt banal, bedeutet aber viel. Ob das reicht? Muss jeder für sich entscheiden. Für mich: Es ist ein Beruf, der dich fordert – und, wenn du es zulässt, auch weiterbringt. Aber das merkt man meist erst später.
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