Bezirkskliniken Schwaben | Obermaßfeld-Grimmenthal
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Morgens, halb acht in Erfurt. Vor dem Wohnheim, gleich hinter der Brücke, dampfen die Tassen in den Händen der Frühschicht. Ich habe diesen Moment noch gut im Kopf – das kurze, wortlose Nicken, bevor das Haus aufwacht. Wer neu einsteigt in die Heilerziehungspflegehilfe, ahnt nicht immer, wie viele Emotionen im Alltag mitschwingen. Dieser Beruf? Er verbindet handfesten Alltag mit feinsinniger Menschenkenntnis. Klingt dramatisch, fühlt sich aber oft ganz bodenständig an. Oder, um es weniger blumig zu sagen: Hier ist echte Nähe gefragt. Und mit Nähe gehen eine Menge Fragen einher, auch (und gerade) für Berufseinsteiger oder diejenigen, die einen Wechsel wagen wollen.
Worum geht’s konkret? Heilerziehungspflegehelfer begleiten Menschen mit Behinderung im Alltag. Das klingt zunächst harmlos. Aber hinter dem Begriff „Assistenz im Alltag“ steckt ein Sammelsurium an Anforderungen: Unterstützung bei der Körperpflege, Hilfe beim Essen, beim An- und Ausziehen, bei Arztbesuchen, kleinen Krisen oder großen Glücksmomenten. Manchmal mit sehr konkreten pflegerischen Einsätzen, manchmal eher als Gesprächspartner oder stiller Begleiter. In Erfurt? Da ist das Spektrum noch einmal breiter als anderswo. Hier gibt es die großen, teils kommunal getragenen Einrichtungen, aber auch kleine Träger mit individuellen Konzepten. Wer Vielfalt sucht – im guten wie im anstrengenden Sinne – findet sie hier.
Manchmal frage ich mich, warum der öffentliche Diskurs die Heilerziehungspflege immer nur im Defizitmodus kennt. Ja, die Forderungen nach mehr Fachkräften sind omnipräsent. Aber wie fühlt es sich tatsächlich an, wenn man morgens das Namensschild anheftet? Ernüchternd oder erfüllend? In Erfurt – und das ist keine Übertreibung – gibt es fast immer offene Stellen. Die Nachfrage nach engagierten Helfern ist groß. Der Markt ist, man kann es drehen und wenden, aufnahmebereit wie selten. Doch mit der Nachfrage kommt auch der Druck: Wer einsteigt, spürt die Lücken. Schichten müssen gefüllt werden, flexible Einsatzbereitschaft ist weniger Wunsch als logische Folge.
Was viele unterschätzen: Die Rahmenbedingungen in Erfurt sind nicht überall gleich. Während größere Träger oft tarifliche Sicherheiten bieten, liegen Einstiegsgehälter meist zwischen 2.300 € und 2.700 €. Das klingt für Thüringer Verhältnisse passabel – aber Überstunden und Schichtarbeit sitzen wie lauernde Schatten im Hintergrund. Und dennoch (jetzt kommt das Aber): Gerade die kleineren Betriebe setzen auf mehr persönliche Nähe und flexible Strukturen. Man fühlt sich, das wage ich zu behaupten, mehr als Mensch denn als Nummer im System. Nicht alles ist Gold, was glänzt – aber manchmal ist ein rostiger Schlüssel ehrlicher als eine Hochglanzbroschüre.
Ich habe lange gezögert, ob ich einen Absatz zu den Nachteilen schreiben soll. Aber wer ehrlich ist, weiß: Die emotionale Belastung ist real. Kein Tag gleicht dem anderen, und manchmal zehrt der ganz normale Wahnsinn am Nervenkostüm. Doch: Es gibt eine Kraftquelle, die anderswo selten ist. Momente echter Dankbarkeit, ein Lächeln, das nicht gespielt ist – damit kann keine Büro-Deadline mithalten. Und in Erfurt? Da fördert der vergleichsweise kurze Draht zwischen Trägern, Teams und Sozialverwaltung so manches Praxisprojekt. Die Stadt ist groß genug für Vielfalt, aber klein genug, um noch Spuren zu hinterlassen. Außerdem sind Fort- und Weiterbildungen längst keine Ausnahme, sondern Standard. Wer will, kann seinen Radius vergrößern: vom Helfer bis zur voll ausgebildeten Fachkraft.
Wohin steuert diese Branche? Digitalisierung hält Einzug, ja. Dokumentations-Apps, neue Kommunikationswege, mehr Vernetzung. Klingt nach Fortschritt, ist aber im Alltag noch oft halbgar – eine Baustelle, die pendelt zwischen Hoffnung und Frustration. Und gesellschaftlich? Der demografische Wandel ist auch in Erfurt kein Randthema mehr. Der Bedarf wächst, nicht linear, aber stetig. Für Quereinsteiger oder junge Leute ergibt sich daraus eine etwas paradoxe Situation: Der Job ist anspruchsvoll, wird aber an vielen Stellen unterschätzt. Und, Hand aufs Herz – ist das nicht auch eine stille Chance für all jene, die Gestaltungsspielraum suchen und auf gutes Bauchgefühl setzen, statt auf starre Regeln? Mag sein, dass nicht alles planbar ist. Aber vielleicht sind gerade diese Brüche das, was den Berufsalltag so einzigartig macht.
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