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Goldschmiede – ach, als ich das erste Mal einen winzigen Ringrohling aus Silber in den Händen hielt, hat’s in den Fingern gekribbelt. Nichts Digitales, kein Bildschirm, sondern echtes Material. Kernige Körpersprache des Metalls, feinfühlige Werkzeuge, Druckstellen in der Hand: So etwas erlebt man im Goldschmiedeberuf jedes einzelne Mal. Und genau daran hängt hier in Halle (Saale) immer noch eine reiche Tradition – der Sprung von ewig gestrig zu zeitgemäß ist erstaunlich kurz. 
Was einen hier überrascht: Zwischen Barockfassaden, Studentenflair und ein bisschen urbaner Schrulle gibt es tatsächlich noch viele Werkstätten. Manche sind in Familienbesitz, seit Generationen. Andere – die Modernisten – sitzen in Studios nahe der Franckeschen Stiftungen oder irgendwo in der Altstadt, haben 3D-Drucker neben dem Arbeitstisch stehen, aber trotzdem eine Respektdistanz zum ganz und gar Digitalen. Goldschmiede in Halle denken oft praktisch: Wie halte ich ein Unikat, das nach 15 Jahren immer noch keiner kopiert? Dass der Beruf filigran ist, wissen die meisten. Doch wie sehr Geduld, Neugier und präzises Handwerk entscheidend sind – das begreift man im ersten Lehrjahr so richtig. 
Jetzt der nüchterne Teil: Finanziell ist es erstmal… bodenständig. Wer nach der Ausbildung startet, bewegt sich meist im Bereich zwischen 2.300 € und 2.800 €. Wer mehr will, muss liefern – richtig gute Arbeit, oder Zusatzqualifikationen als Fachkraft für Edelsteinfassen oder, mit einem Meisterbrief, in Richtung 3.100 € bis 3.600 €. Öffentliche Stellen, etwa im Museum oder Restaurierungsbereich, zahlen geringfügig besser – aber dort zu landen ist nicht ganz einfach, ehrlich gesagt. Außerdem, was selten offen gesagt wird: Die Nachfrage schwankt. Es gibt ein paar starke Betriebe, die sich halten, weil sie Stammkunden pflegen und Hochzeits- sowie Erbschmuck mit Fingerspitzengefühl modernisieren. Aber: Luxus ist konjunkturabhängig. Die Inflation zieht an, Händedruckgebaren werden schmaler, und plötzlich überlegen selbst die wohlhabenderen Hallenser dreimal, ob neuer Schmuck wirklich sein muss. Manchmal scheint’s, als müsse man nicht nur Gold schmieden, sondern auch die eigene Kundschaft erfinden.
Was viele unterschätzen: Der regionale Bezug ist so entscheidend wie sonst kaum irgendwo. Wer in Halle Gold schmiedet, erfährt viel über lokale Vorlieben. Vielen Kund:innen ist Provenienz wichtiger als reine Karat-Größen. „Ist das wirklich hier gefertigt?“ – diese Frage kommt öfter, als man denkt. Dort, wo universitäres Kunstinteresse auf bürgerlichen Sinn fürs Dauerhafte trifft, erwarten die Leute Authentizität: keine Billigketten, kein Import-Klunker, sondern Leichtfüßigkeit im Design und gute Geschichten im Gespräch. Wer das nicht liefern kann oder will, bleibt Außenseiter. Kurze Anekdote: Ich erinnere mich an einen Kollegen, der mit einer Kollektion aus Basalt und recyceltem Silber für Furore gesorgt hat – Nachhaltigkeit war kein Schlagwort, sondern gelebte Haltung. Das wird zunehmend gefragt, nicht nur aus Mode heraus.
Technik? Unterschätzt. Viele stellen sich Goldschmiede als reine Handwerker oder gar Künstler vor, aber das moderne Handwerk braucht Technologie: CAD-Programme für Entwürfe, Laserschweißer für Problemzonen, 3D-Druck für Anschauungsmodelle. Wer Lust auf „nur Werkbank“ hat, wird heute ganz schön ins Schwitzen kommen – eine gewisse Aufgeschlossenheit fürs technische Neue ist Pflicht, auch in Halle. In den letzten Jahren haben lokale Betriebe nicht nur digital aufgerüstet, sondern sich auch stärker vernetzt (ohne dabei ihr Werkstattgeheimnis preiszugeben, versteht sich). Das Spektrum an Fort- und Weiterbildungen wächst – etwa zu Emaille-Techniken, zur Präzision im Edelsteinfassen oder zu kreativer Vermarktung. Ein Muss für alle, die nicht auf der Stelle treten wollen.
Letztlich ist das Goldschmiedehandwerk hier eine Frage der Haltung. Wer Präzision liebt, Ausdauer beweist und zumindest eine Prise künstlerischer Sturheit besitzt, erlebt in Halle (Saale) einen durchaus eigenwilligen, manchmal anstrengenden, aber selten eintönigen Berufsalltag. Es ist kein Beruf für Feiglinge oder Schnellverdiener. Aber für Leute, die sich gern am Material messen und nach Feierabend manchmal noch Späne in den Händen entdecken, liegt darin eine seltsame, staubige Würde. Und die hat auf dem heutigen Arbeitsmarkt – in Halle wie anderswo – ihren ganz eigenen Wert.

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