Nemak Wernigerode GmbH | 38855 Wernigerode
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Eigentlich wollte ich nie mit Schmelzöfen arbeiten. Als Studentin in Braunschweig hatte ich das Bild rostiger Hallen vor Augen: graue Männer, grauer Staub, ein Beruf von gestern. Dann kam Magdeburg – und, sagen wir es so, meine Vorurteile und ich sind getrennte Wege gegangen. Wer heute als Gießereiingenieur startet, findet hier mehr als nur Formkästen und Gussfehler-Klassifikation. Es prallen Gegenwart und Zukunft aufeinander, manchmal mit einem metallischen Knall.
Sicher, man braucht Durchhaltevermögen und ein gewisses Talent für Härteprüfung – nicht nur bei Bauteilen, auch persönlich. Mal ehrlich: Wer in Magdeburg Eisen und Aluminium gießt, macht das selten nach Rezeptbuch. Die Hälfte ist Erfahrung, die andere Improvisation. Hier, wo die Gießereitradition bis ins 19. Jahrhundert reicht und die Hallen am Elbufer Vergangenheit und Zukunft in denselben Wänden einschließen, ist der Alltag voller Brüche. Messen, rechnen, beobachten. Eigentlich permanent im Dialog mit dem Material – und ein bisschen auch mit sich selbst.
Ein typischer Tag? Den gibt’s kaum. Gestern noch Qualitätskontrolle bei einem Zulieferer für Windkraft – heute Simulation neuer Gussteile für die Bahntechnik. Magdeburg lebt noch vom Maschinenbau, ja, aber ohne Gießereiingenieure stockt die ganze Kette. Die lokalen Gießereien – zwischen Traditionsbetrieb und Mittelstand, vereinzelt große Konzerne als Endkunde – brauchen Leute, die Werkstoffkunde und Fertigung beherrschen, aber auch mit Digitalisierung und CO₂-Bilanz nicht auf Kriegsfuß stehen.
An manchen Tagen fragt man sich: Ist das hier noch klassischer Guss, oder sind wir schon Labor für Green Technology? Tatsächlich – Gießereitechnik in Magdeburg ist nicht das dunkle industrielle Hinterzimmer früherer Zeiten. Es hat sich verdammt viel bewegt. Additive Verfahren, 3D-gedruckte Kerne, neue Legierungen – was gestern noch teueres Zukunftsprojekt war, wird im Jahr 2024 schleichend zum Alltag. Auch, wenn nicht jede Gießerei gleich mitzieht.
Gerade für Berufsstarter oder Fachleute, die von außerhalb nach Magdeburg kommen, ist das spannend – und manchmal beunruhigend. Der Markt ist kleiner als anderswo, die Wege aber direkter: Wer hier Verantwortung übernimmt, findet sich schnell in Projekten mit überraschendem Gestaltungsspielraum wieder. Hier gibt’s keine Patentrezepte, aber viel Gestaltungslust – und ja, auch die eine oder andere Nachtschicht, wenn’s im letzten Gussfenster nicht rund läuft.
Manchmal wage ich die Behauptung: Wer als Ingenieurin oder Ingenieur in Magdeburg nicht wenigstens ab und zu mit Unsicherheit leben kann, sucht sich besser einen Schreibtisch weiter westlich. Der Arbeitsmarkt? Beweglich, aber nicht unerschöpflich. Gehälter für Berufseinsteigerinnen und Einsteiger starten meist bei etwa 3.200 €, erfahrene Fachleute steuern durchaus Richtung 4.200 € bis 4.700 €, bei Spezialisierung auf Prozessoptimierung, Simulation oder Management kann es etwas darüber liegen. Unterlegen ist das nicht – aber goldene Wasserhähne wird man sich davon eher nicht leisten.
Ach ja – die Weiterbildung. Stichwort: lebenslanges Lernen. Alle reden davon, aber hier ist es keine hübsche Floskel, sondern knallharte Überlebensstrategie. Ob Werkstoffinnovationen oder Industrie 4.0 – ständig neue Themen auf dem Tisch, und die nächste Prozesskette heißt eben nicht mehr unbedingt nur „Gießen“. Fachkurse an der Hochschule Magdeburg-Stendal, der Gießereitechnik-Verband, externe Seminare – und offen gestanden, viel eigenes Learning-on-the-Job. Theoretisch lernen ist gut, aber irgendwann steht man dann doch wieder am Ofen – mittendrin im Heißbereich, wortwörtlich.
Was ich an Magdeburg schätze? Direktheit. Wer hier in der Gießereitechnik bestehen will, darf keine Angst vor ungeschminktem Feedback haben. Manchmal hart, manchmal herzlich, gelegentlich beides. Was viele unterschätzen: Die Kolleg:innen erwarten Ehrgeiz, aber auch Teamfähigkeit und einen Schuss Pragmatismus. Wer auf Prestige aus ist, wird möglicherweise enttäuscht. Wer aber Lust auf ehrliche Arbeit und den Mix aus Technik, Verantwortung, gelegentlichem Improvisationstalent und regionalem Selbstbewusstsein sucht – der ist hier genau richtig aufgehoben.
Vielleicht ist der Job kein „Hidden Champion“ im Arbeitgeber-Ranking – aber unterschätzen sollte man ihn trotzdem nicht. Bleiben Fragen offen? Natürlich. Aber das macht die Sache ja gerade interessant.
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